Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
wissenschaftlicher Akribie nach gelben Blättern suchte. Aber es half
nur bedingt.
    Sie konnte sich jetzt nicht mehr mit dem Spruch „Chris schläft“
zufrieden geben. Es war höchste Zeit, mit ihm zu reden. Sie wollte genau
wissen, wo er ermittelt, mit wem er Gespräche geführt hatte. Denn irgendwo auf
diesem Weg war er dem Täter zu nahe gekommen. Außerdem brauchte Susanne den
scharfen Verstand ihres Freundes, die manchmal so unkonventionellen
Denkansätze, den „klugen Kopf“, den ihm jemand hatte wegblasen wollen.
    — Sie beschloss, sich mit dem Phänomen der Gedankenübertragung zu
befassen, als genau in diesem Moment Chris anrief und sie bat, zu ihm zu
kommen.

Neunundzwanzig
     
    Als Susanne
knapp vierzig Minuten später in der Piusstraße eintraf, hatten Chris und Karin
alles geklärt. Sie wussten, was sie zu tun hatten, und waren gerade dabei,
einen Koffer für ihn zu packen, um in Karins Wohnung umzusiedeln.
    Chris hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. Wenn auch der Schock,
versagt zu haben, tief saß — jetzt galt es zu handeln.
    „Meine Aussage zum Auffinden der Ingeborg Maria Lautmann war falsch,
Susanne“, sagte er in reinstem Polizistendeutsch. Einfach um die Bedeutung
seiner Angaben zu unterstreichen. „In einem einzigen Punkt, einem einzigen
Wort. Ich habe gesagt, sie hat zwei Mal nach Karin gerufen, aber das stimmt
nicht. Sie sagte: `Karin hat …´ Hat! Ich habe mich bis heute einfach nicht
daran erinnert, Susanne! Aber sie sagte: `Karin hat …´“
    „Bist du ganz sicher?“, fragte die Kommissarin, nachdem sie vor
Verblüffung zunächst kein Wort herausgebracht hatte.
    „Absolut! Jetzt ja!“ Er nickte nachdrücklich.
    Susanne stopfte die Hände in die Hosentaschen und fixierte ihren
Freund scharf. „Verflucht noch mal, Chris! Das hat uns fast zwei Wochen
gekostet!“ Dann fuhr sie sich mit beiden Händen durch das stumpfe Haar und
atmete tief durch. „Vergiss es“, murmelte sie. „Ich weiß, wie schnell so was im
Eifer des Gefechts untergeht.“
    Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. Verständnis für menschliches
Versagen war ein völlig neuer Zug an ihr.
    „Das heißt“, Susannes Blick wanderte zu Karin, die mit verschränkten
Armen auf dem Sofa saß, „das heißt, dass Sie etwas besitzen oder auch besessen
haben, was für unseren Freund äußerst wichtig ist.“
    „Korrekt“, stimmte Karin zu. „Und nachdem er bei mir nichts gefunden
hat, war Tönnessen dran.“
    „Nicht so schnell!“, warf Susanne ein, ließ sich in einen Sessel
fallen und streckte die Beine von sich. „Vielleicht hat er was gefunden, und
Tönnessen war trotzdem dran, oder gerade deswegen.“
    „Und was soll das gewesen sein, verdammt? Wonach soll ich suchen? Wie
soll ich etwas finden, was womöglich gar nicht mehr da ist?“
    Karin zog sich an ihren Krücken hoch und verschwand in die Küche. Sie
hatte das alles schon mit Chris diskutiert, der sie schließlich davon
überzeugen konnte, einen Versuch zu unternehmen. Jetzt aber brachen ihre
Zweifel und ihre Unsicherheit heraus. Es hing von ihr ab, einzig und allein von
ihr. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war das Unternehmen jedoch
zum Scheitern verurteilt, ganz bestimmt. Und eine Karin Berndorf versagte
höchst ungern!
    Kaum dreißig Sekunden später kam sie zurück und setzte sich wieder.
„`Tschuldigung“, murmelte sie und überließ ihre Hand bereitwillig Chris, der
über den Tisch gegriffen hatte.
    „Frau Berndorf!“ Die Stimme von Susanne klang eindringlich. „Wir jagen
im Moment so ziemlich allem hinterher, was möglich ist. Aber wenn wir wüssten,
was man Ihnen geklaut hat oder klauen wollte, wären wir der Lösung sehr viel näher.
Vielleicht  hätten wir dann ein Motiv, und das ist die halbe Miete! Wir hätten
einen Ermittlungsansatz, auf den wir uns voll konzentrieren können. Zurzeit
wirbeln wir zwar viel auf, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es nur
Staub ist.“
    Sie sah von Karin zu Chris. „Und jetzt erklär mir mal, in was du deine
Nase so tief gesteckt hast, dass dir jemand deinen klugen Kopf wegblasen
wollte.“
    Im ersten Moment war er versucht, zu protestieren. Susanne dachte
wieder einmal, er hätte einen Alleingang gemacht. Nur, dass es dieses Mal,
dieses eine Mal ausnahmsweise nicht der Fall gewesen war.
    „Ich weiß es nicht, Susanne“, antwortete er ehrlich, „ich weiß es
wirklich nicht. Ich habe nichts, was du nicht auch wüsstest!“
    Sie grinste bitter. „Das würde mich

Weitere Kostenlose Bücher