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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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sie machten, übertönte das Motorengeräusch des
blauen Golfs.
    Karin presste die Zähne aufeinander, bis es wehtat. Chris! Er wollte
Chris! Und sie hing wie ein dicker Wurm an der Angel. Er brauchte sich nur noch
still hinzusetzen und abzuwarten, bis Chris danach schnappte!
    Was war heute früh geschehen zwischen ihm und Eickboom? Wie lange
würde es wohl dauern, bis er merkte, dass etwas nicht stimmte? Würden Achim und
Klaus sich bei ihm melden, weil sie händeringend auf Karin warteten? Würde er
den Gehstock sehen? Und würde er dann, wenn er begriffen hatte, was geschehen
war, blindlings vorwärts stürmen? — Natürlich würde er das! Ohne zu überlegen
und mit dem Kopf durch die Wand. Er würde zuerst schockiert sein, dann kurz
seinen Verstand einschalten, aber schließlich nur noch aus Gefühl bestehen.
Chris eben! Die Straße verschwamm plötzlich vor Karins Augen.
    Eickboom lotste sie jetzt durch das Straßengewirr im Industriegebiet
Ossendorf. Also hatte Chris von Anfang an Recht gehabt. Irgendwo hier hatte
alles begonnen. Und irgendwo hier würde es enden. So oder so.
    Er ließ sie über mehrere Höfe von Speditionen fahren und dann hinter
einer lang gestreckten, von außen riesig wirkenden Halle anhalten. Als er
ausgestiegen war, befahl er ihr, ebenfalls auf der Beifahrerseite nach draußen
zu kommen. Wieder wartete er, bis sie die Prothese über den Schaltknüppel des
Automatikgetriebes bugsiert hatte.
    Eine schmale, steile Außentreppe führte in den Keller der Halle.
Feuchte, modrige Luft schlug ihr entgegen. Eickboom tastete an der Wand
entlang, ohne sie aus den Augen zu lassen. Dann flammte eine nackte Glühbirne
auf, die einen engen Gang in diffuses Licht tauchte. Wieder war er so dicht bei
ihr, dass sie die Hitze seines Körpers spürte.
    Er sah kurz den Gang hinunter und stieß sie in einen kleinen
Abstellraum. Ihr linker Schuh blieb irgendwo hängen. Sie stolperte und schlug
der Länge nach hin.
    Bevor sie sich aufrappeln konnte, war er über ihr, riss ihre Arme auf
den Rücken, band sie zusammen. Ebenso verschnürte er ihre Beine. Und ehe sie
auch nur ein einziges Wort des Protestes herausgebracht hatte, klebte
irgendetwas auf ihrem Mund.
    Kaum sechzig Sekunden, nachdem sie gefallen war, schlug Eickboom die
schwere Eisentür von außen zu.

Fünfunddreißig
     
    Es zog sich
länger hin als erwartet. Nicht zuletzt deshalb, weil Chris völlig
unkonzentriert war, Aussagen wiederholen ließ, Fragen doppelt stellte und sich
schließlich einen Rüffel vom Amtsrichter einhandelte.
    Als es endlich vorbei war, fuhr er in die Piusstraße. Karin war
natürlich längst weg und schlug sich mit den Kunden im Fotoladen herum.
    Er holte das Handy und seine 38er aus der Nachttischschublade.
Letztere hatte Karin nach langen Diskussionen und unter lautem Murren dort
deponiert, unter der Voraussetzung, dass sie für ewig und alle Tage dort blieb,
wenn sie schon nicht ganz verschwand.
    Ewig und für alle Tage hatte bis heute Morgen gegolten. Bis zu einer
Gewissheit, die so absolut war und doch durch nichts zu beweisen. Aber Chris
war klar, dass Eickboom nun irgendwie reagieren musste, und da wollte er
vorbereitet sein.
    Dass er schon längst reagiert haben könnte, fiel ihm im Traum nicht
ein. Er sah auch den Stock nicht, der wie ein Ausrufezeichen an der Garderobe
hing. Immer noch stand er neben sich selbst, war so damit beschäftigt, das
Unfassbare zu begreifen, dass für nichts anderes mehr Platz blieb.
    Ohne anzuklopfen flog er in Susannes Büro, die erschrocken von ihrem
Stuhl sprang.
    „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Da kriegt man ja ´nen
Herzinfarkt!“
    Hellwein schnellte ebenfalls in die Höhe, und sein Stuhl krachte gegen
die Aktenregale hinter ihm. Aber er sagte erst mal nichts.
    „Eickboom ist unser Mann!“, platzte es aus Chris heraus.
    „Bitte — was? Nun mach mal langsam. Wer, um Himmels willen, ist
Eickboom?“
    Er versuchte, langsam zu machen, aber es fiel ihm nicht leicht.
Schließlich brachte er es fertig, halbwegs zusammenhängend zu erklären, wer
Eickboom war und die Szene vor dessen Haus wiederzugeben. Er vergaß auch nicht,
den schwarzen zottigen Hund zu erwähnen.
    Susanne hörte sich das alles mit zunehmend gerunzelter Stirn an. „Und
was glaubst du, soll ich jetzt tun?“, fragte sie, als Chris fertig war.
    „Na, nimm ihn hoch! Haussuchung, Vorladung, alles!“
    „Nur mal angenommen, du hättest Recht!“
    „Ich habe Recht, zum Teufel! Glaubst du, ich spinne oder

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