Fehlschuss
es, die beiden Geräte miteinander zu
verbinden.
Kurz darauf meldete sich Hellwein tatsächlich. „Ein
Zweiundneunzigjähriger ist heute Morgen vor Schreck von Rad gefallen, weil eine
Ente über die Straße stolzierte. Ansonsten hatten wir nur Blechschäden. Ein
Fahrzeug, das auf Karin Berndorf zugelassen ist, war nicht darunter.“
Die Wohnung war genauso, wie Chris sie eine knappe Stunde vorher
verlassen hatte. Nichts deutete auf irgendwelche Besonderheiten hin. Der
Frühstückstisch war abgeräumt, das Geschirr in der Spülmaschine, die Betten
gemacht.
Dann aber, Susanne stand schon wieder im Treppenhaus, fiel sein Blick
auf die Garderobe. Wie angewurzelt blieb er stehen, eine Hand um die Türklinke
gekrampft.
„Was ist?“, fragte die Kommissarin ihren Freund.
„Der Stock, Susanne! Sie würde nie ohne ihren Stock nach draußen
gehen!“ Die Haare auf seinen Unterarmen stellten sich auf, und er konnte sich
erst von dem leuchtend blauen Gehstock lösen, als Susanne ihn hart am Arm
fasste, und nach draußen zog.
Auch auf der Straße ließ sie seinen Arm nicht los. „Chris! Reiß dich
zusammen! Wo steht ihr Auto?“
Er sah die Straße hinunter. Gestern Abend hatten sie den blauen Golf
genau vor dem Kiosk von Hein abgestellt. Jetzt stand da ein weißer Corsa.
„Ist weg“, murmelte er. Dumpfe Panik breitete sich in ihm aus.
Susanne schien zu spüren, dass er völlig neben sich stand. Sie zerrte
am Ärmel seines Sakkos und sagte eindringlich: „Chris! Angst haben ist völlig
in Ordnung. Aber sie darf dich nicht beherrschen. Lass sie nicht in deinen
Kopf, verstanden? Kotz von mir aus mitten auf die Straße, aber denk nach!
Welches Auto fährt Eickboom?“
Er sagte ihr nicht, dass er das Kotzen schon hinter sich hatte. Er
biss die Zähne aufeinander und versuchte, die Kieselaugen zu verdrängen. „Ich …
ich glaube, einen weißen BMW.“
Susanne zerrte ihn ins Auto und fuhr langsam um den Block. In einer
kleinen Parallelstraße stand ein 7er BMW, weiß metallic. In aller Unschuld.
Susanne hielt in einer Garageneinfahrt schräg gegenüber und gab
Hellwein das Kennzeichen durch.
„Leg nicht auf!“, wies sie ihn an. „Ich bleibe dran!“
Sie hörten das Klappern einer Tastatur, einen leisen Fluch,
nochmaliges Klappern.
Es dauerte zwei, drei Minuten. Dann wurde quietschend ein Stuhl
zurückgeschoben, und Hellwein meldete sich wieder. „Susanne? Der Wagen ist auf
Johannes Eickboom zugelassen.“
Die Polizistin schloss für einen Moment die Augen. „Also gut, Heinz!“,
sagte sie betont ruhig. „Dann haben wir jetzt eine K 12!“
„Gott verdammt!“, kam es nach einer gewissen Zeitverzögerung zurück.
„Maurer wird entzückt sein! Was schlägst du vor?“
„Wir sollten uns sein Haus vornehmen. Möglichst schnell und ohne
großes Aufgebot. So blöd, sich dort mit ihr zu verschanzen, ist er nicht. Aber
wir brauchen Hinweise, wo er sein könnte. Also Durchsuchungsbefehl und ein paar
Leute, mehr nicht. Und Karins Wagen sollte als K 12 in die Fahndung. Und Heinz!
Gib Gas! Eickboom steht mit dem Rücken zur Wand. Der kann sich alles Mögliche
einfallen lassen. Wir bleiben hier und warten die Anweisungen ab.“
„Was soll das heißen: Anweisungen abwarten?“, schaltete Chris sich
ein, als Susanne das Gespräch beendet hatte. Wieso hatte sie plötzlich keine
Befugnisse mehr? Was war K 12? Er verstand nichts mehr.
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort, kramte erst eine Packung
Zigaretten aus der einen Jackentasche und dann das Feuerzeug aus der anderen.
„K 12 ist unser internes Kürzel für Geiselnahme, Chris“, erklärte sie
dann. Sie zündete zwei Zigaretten an. Feine Aschekrümel regneten dabei auf ihre
beigefarbene Hose und hinterließen dunkle Streifen, als sie sie achtlos
wegwischte. „Es gibt nur vier hohe Beamte bei der Kölner Polizei, die in so
einem Fall den Einsatz leiten dürfen. Einer von ihnen ist Hans Maurer, Leiter
der Kripo. Ich kann ihm Vorschläge machen, weil ich intensiv mit dem Fall
befasst war. Ob er sie letztlich annimmt, ist seine Entscheidung. Aber ich sehe
nicht, was dagegen spricht, und Maurer ist ein guter und umsichtiger Polizist!“
Sie reichte eine Zigarette zu ihm hinüber und sah besorgt in sein
totenblasses Gesicht. „Chris! Er wird alles tun, um Karin da rauszuholen, glaub
mir! Jeder Bulle weiß genau, wie er sich bei einer K 12 zu verhalten hat. Wenn
zum Beispiel jemand ihren Wagen sieht, wird er ihn nicht anhalten. Wir
beobachten, warten, verhandeln.
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