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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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flachen Hand über die Stirn. Eine Bewegung, die
Resignation ausdrückte. „Ich dachte, er hätte alles irgendwie herausgefunden.
Er stand da wie eine einzige Provokation und …“
    „ … und da haben Sie Carlos den Auftrag gegeben, Doktor Sprenger zu
töten“, vollendete Karin. „Schon klar. Und wann haben Sie gemerkt, dass er gar
nichts wusste?“
    „Als nichts mehr passiert ist. Er hatte Carlos eine üble Schulterwunde
zugefügt, also musste der sich absetzen. Die Tage vergingen, und trotzdem ist
die Polizei nicht bei mir aufgetaucht. Verstehen Sie?“ Er lachte auf.
„Spätestens nachdem Carlos versucht hatte, ihn umzubringen, hätte Doktor
Sprenger doch der Polizei etwas gesagt. Aber es ist nichts geschehen.“
    Jetzt seufzte er auf. „Und dabei wäre es wohl auch geblieben, wenn
mein blöder Sohn heute früh nicht von der Toskana angefangen hätte.“
    Er senkte den Kopf und verfiel in Schweigen. Hatte das Ende einer
Kette von Fehleinschätzungen erreicht. Und auch das Ende einer Geschichte, die
Karins ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte.
    Nun aber sah sie mit einem Mal wieder den Benzinkanister und blickte
auf das Feuerzeug wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie versuchte, ruhig und
gleichmäßig zu atmen, um eine weitere Panikwelle zu unterdrücken.
    Eickboom konnte nicht wissen, was Feuer für sie bedeutete. Und ihm zu
zeigen, was in ihr vorging, war das Dümmste, das sie hätte tun können. Dass sie
Mühe hatte, nicht zu schreien, nicht wie verrückt an ihren Fesseln zu zerren.
Dass sich in ihrem linken Oberschenkel plötzlich pochende Schmerzen
breitmachten. Dass sie dabei war, völlig den Kopf zu verlieren.
    Schweiß sickerte plötzlich in ihre Augen, brannte dort wie Feuer …
Feuer. Irgendwie musste sie dieses Wort aus dem Kopf bekommen.
    „Und … und was passiert jetzt?“ Ihre Kehle fühlte sich an wie ein
Reibeisen.
    „Jetzt? Jetzt warten wir auf Doktor Sprenger.“ Erneut schaute Eickboom
auf seine Uhr und lächelte. „Er dürfte nicht mehr lange brauchen. Ich habe
schon immer seinen brillanten Kopf bewundert.“
    Karin lachte auf. „Glauben Sie etwa, er kommt allein? Er wird jeden
Polizisten dieser Stadt hinter sich her schleppen, wenn es sein muss!“
    „Könnte er, ja. Wird er aber nicht! Glauben Sie mir!“
    „Sie kommen nicht weit!“, behauptete sie. „Die Polizei …“
    „Die Polizei wird beschäftigt sein mit zwei verkohlten Leichen, die
man hier findet!“, herrschte er sie an. „Bis dahin bin ich längst in Spanien.
Manuel Viego lässt seine Leute nämlich nicht im Stich!“
    War das auch wieder eine Fehleinschätzung? Seine letzte? Glaubte er
wirklich, es bis nach Spanien zu schaffen?
    „Was soll das alles? Sie könnten schon fast in Spanien sein.
Stattdessen vertrödeln Sie hier Ihre Zeit und warten auf Doktor Sprenger!“
Hitzig forderte Karin ihn heraus. Die einzige Möglichkeit, ihre Angst halbwegs
unter Kontrolle zu halten. „Sie müssen sich so oder so absetzen! Wieso sind Sie
nicht längst weg?“
    Er starrte sie mit einem Blick an, der auf ihrer Haut brannte, als
wäre sie mit Trockeneis in Berührung gekommen. „Ich verliere nicht gern, Frau
Berndorf. Mal ein Spiel oder auch zwei. Aber niemals eine ganze Partie! Doktor
Sprenger könnte Ihnen bestätigen, dass ich zumindest immer ein Remis
heraushole. So wie jetzt. Wir alle werden auf gewisse Weise unser Leben
verlieren. Damit wären wir dann quitt!“
    Mit gesundem Menschenverstand hatte dass alles nichts mehr zu tun. Und
Karin spürte, dass er fertig war, längst nicht so selbstsicher, wie er vorgab.
Das zeigten ihr nicht nur die Schweißflecke unter seinen Achseln, sondern vor
allem seine extremen Stimmungswechsel. Von lachen, schluchzen,
Liebenswürdigkeit bis zu eisiger Kälte war alles dabei gewesen. Sie kannte das
von den anderen Patienten, damals in der Psychiatrie. Es waren immer Menschen
gewesen, denen im Grunde nichts anderes mehr geblieben war als Verzweiflung. Eickboom
in diesem Zustand — das konnte eine Chance sein. Gleichzeitig aber machte es
ihn absolut unberechenbar.
    „Und wenn Doktor Sprenger nicht kommt?“, provozierte sie weiter.
    „Wird es nur eine verkohlte Leiche geben, Frau Berndorf!“
    Seine Stimme war hart geworden. Hart und schneidend. Die Hand mit dem
Feuerzeug hielt er direkt unter der Lunte. Was auch immer passieren würde, er
hätte Zeit genug, einmal mit dem Daumen das Rädchen zu bewegen, das
benzingetränkte Papier anzuzünden.
    „Warum knallen Sie mich

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