Fehlschuss
nicht einfach ab?“ Karin hatte ihre Stimme
kaum noch unter Kontrolle.
Eickboom schaute an sich hinunter, zu der Pistole, die in seinem
Hosenbund steckte, und lächelte. „Das ist eine alte Armeewaffe. Sie ist nicht
geladen, denn es gibt keine Munition mehr dafür.“
Karin lief der Schweiß in Bächen an den Schläfen entlang, als sie
hervorstieß: „Verdammter Schweinehund!“
Und dann ging alles sehr schnell.
Siebenunddreißig
Susanne und
Hellwein brauchten zwei, drei Sekunden bis sie begriffen, was passiert war.
„Chris!“, schrie sie dann. „Scheiße! Heinz, komm, hinterher!“
Oben am Treppenabsatz prallten sie mit Müller zusammen, der gerade
nach unten wollte und verloren weitere Sekunden.
Als sie über die langgestreckte Einfahrt auf die Straße rannten, sahen
sie den alten Nissan in halsbrecherischem Tempo vorbeirasen.
Susanne blieb stehen und stützte schwer atmend die Hände auf die Knie.
Sah zu Hellweins Wagen, der fünfzig Meter entfernt auf dem Mittelstreifen
stand.
„Vergiss es“, japste sie.
Hellwein stoppte neben ihr. „Und jetzt?“
„Dieser verfluchte Mistkerl! Dieser Mann ist eine absolute
Katastrophe! Ich mache ihn so fertig, dass ihm kein Hut mehr passt! Dieser …
dieser … Was hast du gesagt?“
„Und jetzt?“, wiederholte Hellwein geduldig. „Wenn wir ihn zur
Fahndung ausschreiben — so, wie er fährt, haben wir ihn in zehn Minuten!“
„Nein! Wenn der Berndorf was passiert, weil wir ihn aufgehalten haben
…“ Sie richtete sich auf und verbot sich auch innerlich, den Satz zu Ende zu
denken. Sie war in erster Linie Polizistin, danach kam lange Zeit nichts, und
dann erst kam ihre Freundschaft zu einem Mistkerl. So und nicht anders lauteten
ihre Spielregeln. Also keine Gefühle jetzt, nichts, was ihr den Blick
verstellen konnte.
Sie kniff die Augen zusammen und schaute Hellwein an. „Was hat er
gesagt? Die Kommanditisten, oder?“
„Ja, aber was meint er damit?“ Hellwein schaute verwirrt drein.
Susanne stieß ihre Fußspitze in den Kies und überlegte kurz.
Kommanditisten … Und vorher hatten sie über Firmen und Geschäftsführer
gesprochen …
Dann schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Oh,
verdammt!“, murmelte sie und erklärte lauter: „Kommanditisten, Heinz! Das sind
die stillen Teilhaber von OHGs oder KGs. Die, die Geld in einen Betrieb
stecken, aber meistens nichts mit der Geschäftsführung zu tun haben und auch in
der Firmenbezeichnung nicht auftauchen.“ Noch einmal bohrte sie ihre Fußspitze
in die weißen Steine. „Eickboom ist mit Sicherheit stiller Teilhaber
irgendeiner Firma in Ossendorf. Und genau da hat er sich verschanzt. Komm!“
Sie rannten zurück ins Haus und fanden nach kurzer Suche ein ziemlich
spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer im ersten Stock. In den dunklen
Regalen reihten sich einige Bücher über Finanzwirtschaft und vielleicht ein
Dutzend Ordner. Auf dem mit Intarsien verzierten Schreibtisch stand ein edel
aussehender Laptop, ansonsten keine Papiere, kein Stäubchen, nichts. Entweder
war Eickboom ein außergewöhnlich ordentlicher Mensch, oder aber er benutzte
dieses Zimmer so gut wie nie.
Susanne zog den ersten Ordner aus dem Regal und begann, fieberhaft zu
blättern, während Hellwein sich mit dem Computer beschäftigte. Schnell machte
sich bei ihr Ernüchterung breit. Sie fand Mieteingangslisten seiner diversen
Immobilien, Nebenkostenabrechnungen und Auszüge seines offenbar ganz privaten
Kontos, jedoch nichts, was auf seine anderen Geschäfte hinwies.
Hinter ihr fluchte Hellwein leise. „Was?“, fragte sie kurz angebunden.
„Passwort. Da ist auf die Schnelle nichts zu machen.“ Frustriert
schaltete er den Laptop aus.
Hektisch zog Susanne die Schubladen des Schreibtischs auf, aber außer
Stiften und dem üblichen Krimskrams war auch hier nichts. Und keine Spur von
der alten Pistole, die der junge Eickboom erwähnt hatte.
„Mist!“ Sie biss sich auf die Lippen. „Heinz, das ist sinnlos hier.
Wir müssen sein Büro bei Felting und Grube …“
„Warte!“ Hellwein hob die Hand. „Doktor Sprenger stürmt doch jetzt
auch nicht mit gezogener Knarre in die Vorstandsetage und durchwühlt sein Büro,
oder?“
„Nein“, gab sie zu und schnippte gleichzeitig mit den Fingern. „Das
Handelsregister! Die Kommanditisten stehen im Handelsregister! Ich wette, Chris
hockt beim Amtsgericht und sieht das Handelsregister ein. — Wie viel Vorsprung
hat er?“
Hellwein sah auf die Uhr.
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