Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
Karin zu erzählen. Als Susanne dann auch noch wie beiläufig
erwähnte, dass alle Wertsachen der Tönnessen offensichtlich noch da waren,
wurde ihm erst recht übel. Aber dieser kleine, hässliche Zwerg in seinem Kopf
zischte nur: „Verräter!“, und er biss die Zähne aufeinander.
    In möglichst neutralem Ton sagte er: „Ihr habt doch sicher im Laufe
der Woche das Vorleben von Tönnessen recherchiert — wenn auch aus anderen
Gründen.“
    Susanne nickte. „Haben wir.“ Wieder blätterte sie in ihrem Notizblock.
„Also: Geboren am 18. Januar 1966 in Hamburg. Normale Kindheit mit zwei
Geschwistern, aber immer schon eine Vorliebe für schicke Klamotten und schnelle
Autos. Zwischen 1987 und 1992 vier Mal wegen illegaler Prostitution
hochgenommen. 1993 zieht sie nach Köln und arbeitet bis 2003 als Edelnutte.
Dann hat sie sich wahrscheinlich gesagt, dass sie zu alt wird für den Job und
diese Begleitagentur aufgezogen. Das war zwar polizeilich bekannt, aber es hat
nie Probleme gegeben. Vielleicht, weil sie von den entsprechenden Leuten
geschützt wurde.
    Es war ein überaus korrekt geführtes Unternehmen. In finanziellen
Dingen scheint sie eine ziemliche Macke gehabt zu haben. Ihre Buchhaltung ist
vom Feinsten. Sie hat offensichtlich sogar über jeden privat ausgegebenen Cent
eine Notiz. Wir haben uns das noch nicht genauer angesehen, aber da sind
bergeweise Unterlagen. Von ihren Kunden wissen wir allerdings so gut wie
nichts. Wenn es je so etwas wie eine Kundenkartei gegeben hat, hat derjenige,
der die Wohnung durchwühlt hat, sie garantiert mitgenommen.“
    „Es sollen ein paar große Nummern dabei sein.“
    Susanne grinste schief. „Wir machen gerade die Mädchen ausfindig, die
für sie gearbeitet haben. Die werden schon singen. Und ich wette, dass die
Hälfte unserer Kommunalpolitiker dabei ist. Industrielle, Richter,
Staatsanwälte. Du weißt schon.“
    Chris wusste. Und ihm war auch klar, dass das die Ermittlungen nicht
unbedingt erleichterte. Wenn jetzt einigen Leuten der Arsch auf Grundeis ging,
konnten sie Susanne so zusetzen, dass eine Ermittlung fast unmöglich wurde.
    „Das also war Brigitte Tönnessen.“ Wieder blätterte Susanne zurück.
„Kommen wir zu Ingeborg Maria Lautmann. Geboren am 24. Mai 1980 in einem Kaff
in der Eifel. Mutter alleinerziehend, vier Geschwister. Realschulabschluss,
Ausbildung als Textilverkäuferin. Ihre ehemaligen Kolleginnen haben sie als
sehr freimütige Person geschildert, die offen mit ihrer Bisexualität umgegangen
ist.“
    Susanne winkte der Kellnerin und bestellte noch ein Viertel Rotwein.
Dann wandte sie sich wieder ihren Notizen zu. „2008 lernte sie Tönnessen kennen
und hat sporadisch für sie gearbeitet. Kleine Gehaltsaufbesserung sozusagen.
    Seit 2009 hat sie bei Tönnessen gelebt und sich von ihr aushalten
lassen. Sie wurde für die ganz besonderen Kunden aufgehoben. Bis sie vor vier
Wochen so sang- und klanglos verschwunden ist. Wir haben mit ihrer Familie
gesprochen, Kollegen, Freunden. Oder besser: ehemaligen Freunden. Aktuelle
Kontakte konnten wir bisher nicht ausfindig machen. Es ist fast so, als hätte
sie die letzten Jahre nicht mehr existiert. Sie hat zwar drei, vier Mal im Jahr
ihre Mutter besucht, aber keinerlei persönliche Dinge angesprochen. Eine
ehemalige Kollegin, einer ihrer Brüder und auch Tönnessen haben sich an eine
Gertrud erinnert, mit der sie befreundet gewesen sein soll. Alle drei wussten
jedoch weder den Nachnamen noch sonst was.“
    Chris ließ sich das Gehörte eine Weile durch den Kopf gehen. „Ist
sicher, dass es ein und derselbe Täter war?“, fragte er dann.
    „Es wäre mehr als Zufall, wenn wir zwei Täter und zwei Motive hätten“,
erklärte Susanne. Sie wartete, bis die Kellnerin den kleinen Weinkrug
abgestellt hatte und wieder außer Hörweite war, ehe sie weitersprach. „Eins
gibt mir allerdings zu denken: Lautmann hat dir gegenüber in der Mehrzahl
gesprochen. Bei Tönnessen können wir jedoch darauf schließen, dass nur einer
auf sie losgegangen ist. Die Schnittführung des Messers zum Beispiel ist sehr
eindeutig.“
    „Dann könnten wir aber den wildgewordenen Freier vergessen, der
plötzlich Spaß an spritzendem Blut hat“, warf er ein.
    „Nicht unbedingt! Wäre nicht das erste Mal, dass einer Lust hat am
Zugucken und ein anderer die Drecksarbeit macht. Wir müssen natürlich auch die
Schwangerschaft berücksichtigen.“
    „Sie erpresst den Vater, der hat eine Menge zu verlieren und schlägt
zu“, baute

Weitere Kostenlose Bücher