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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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wenig
entkrampften. Er war froh, dass er Tönnessen nicht persönlich gekannt hatte. So
hatte er nur eine vage Vorstellung von ihrem jetzigen Aussehen. Und das war gut
so.
    „Okay“, sagte er nach einer Weile. „Was kann ich tun?“
    „Hilf mir, da oben Ordnung zu schaffen.“ Susanne tippte sich mit dem
Zeigefinger an die Stirn. „Ich krieg diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Ich
sehe immer nur diesen zerschnittenen Leib …“
    Chris hörte endgültig mit seiner Massage auf. Außer Mitgefühl brauchte
die Kommissarin vor allem einen klaren Verstand, und den bekam man nicht von
Schulterkneten. So schwer es ihm auch fiel, verlangte er betont kühl: „Dann gib
mir die Fakten!“
    Es wirkte. Zumindest für den Augenblick. Susanne nickte. „Geh mit mir
essen. Ich hab seit heute Morgen nichts mehr in den Magen bekommen. Du weißt,
ohne Essen kann ich nicht denken.“
     
    Das Steakhaus um die Ecke hatte mit seinen hohen Decken und
quadratischen Tischen den Charme einer Bahnhofshalle. Aber das Essen war
annehmbar und die Bedienung freundlich.
    Bevor sie losgegangen waren, hatte Chris noch einmal versucht, Karin
zu erreichen, war aber wieder nur an die freundliche Stimme auf dem
Anrufbeantworter geraten. Nein, er wollte auch jetzt keine Nachricht
hinterlassen.
    Nachdem Susanne ein paar Stücke Zwiebelrumpsteak und Folienkartoffel
in sich hineingeschaufelt hatte, begann sie. Einfach so. Das brachten wohl nur
Ärzte und Polizisten fertig, überlegte Chris. Steak essen und dabei über die
grauenvollsten Dinge reden. Wenn Anne Kollegen eingeladen hatte, konnte die
ganze Runde bis ins kleinste Detail über eitrige Bauchfellentzündungen,
diabetische Füße und perforierte Magengeschwüre diskutieren und dabei köstlich
gebratene Hühnerbeine abnagen. Und nie war jemandem aufgefallen, dass aus
seinem Hühnerbein plötzlich Abszesse und giftige Furunkel wuchsen, die ihm den
Appetit gehörig verdarben.
    „Heute Morgen gegen sechs haben Waldarbeiter die Leiche gefunden“,
führte Susanne aus und aß dabei ungerührt weiter. „Ganz in der Nähe eines
abgelegenen Parkplatzes. Vorläufige Todeszeit circa drei Uhr in der Nacht.
Todesursache höchstwahrscheinlich erst der Genickschuss. Die anderen
Verletzungen sind grauenvoll, haben aber nicht unmittelbar zum Tod geführt.
Fundort und Tatort sind identisch. Blut, aufgewühlter Boden, alles spricht
dafür. Sie war nackt, ihre Kleidung lag auf einem Haufen, etwa vier Meter von
der Leiche entfernt. Ob sie auch vergewaltigt wurde, muss noch bei der
Obduktion geklärt werden. Zwei Hundertschaften haben heute den ganzen Wald
durchkämmt und machen morgen weiter, sobald es hell ist. Aber ich verspreche
mir nicht viel davon.
    Heute Mittag hat eine Streife hier in der Innenstadt ihren Wagen
gefunden. Unverschlossen. Sie sind aufmerksam geworden, weil er verkehrswidrig
abgestellt war. Der Wagen wird zurzeit untersucht. Auf dem Parkplatz im Wald
haben wir frische Reifenspuren entdeckt. Ich gehe davon aus, dass sie zu ihrem
Wagen gehören. Der Täter ist also damit in aller Seelenruhe zurück nach Köln
gefahren.“
    Susanne war jetzt wieder ganz die kühle, routinierte Polizistin. Und
auch Chris gelang es allmählich, Distanz zu schaffen zwischen seinem halb
durchgebratenen Pfeffersteak und Brigitte Tönnessen.
    „Zeugen gibt´s natürlich keine“, fuhr Susanne fort. „Wer spaziert auch
schon morgens um drei durch den Wald? Die …“
    Das Summen ihres Handys ließ sie abbrechen. Sie nestelte es aus der
Jackentasche, mit der anderen Hand grub sie ihre Brille, einen kleinen
Notizblock und einen Stift hervor. Hörte zu, schrieb ein paar Worte. Außer
einem „Okay“, das das Gespräch beendete, hatte sie kein Wort mit ihrem
Gesprächspartner gewechselt.
    Sie schob den fast leeren Teller von sich und wandte sich wieder Chris
zu. „Das war Hellwein. Auch bei Tönnessen gibt es keine Spermaspuren. Kein
Fremdblut, keine Hautpartikel unter den Nägeln oder das sonst Übliche. Einfach
nichts! Es ist wie verhext!“
    Sie blätterte in ihrem Notizbuch zurück. „Wo war ich? — Ach ja! Die
Wohnung von Tönnessen ist durchwühlt worden. Ob vor oder nach ihrer Ermordung
wissen wir noch nicht. Die Tür war nicht beschädigt. — Stimmt was nicht?“
    „N … nein, ist schon gut“, log Chris und fuhr sich mit der Hand durchs
Gesicht. Nichts stimmte, überhaupt nichts. Erst Karins Wohnung, jetzt die von
Tönnessen. Und die war tot! Es war höchste Zeit, der Kommissarin von dem
Einbruch bei

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