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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Rückseite.
Und kommen Sie allein.“
    Bevor Chris den Mund zu einer Erwiderung öffnen konnte, knackte es
leise in der Leitung.
    Rochuskapelle. Allein. Jetzt! Mehr war nicht in seinem Kopf.
Allenfalls so etwas wie die Befriedigung, dass das Stochern im Nebel oft genug
doch noch in einen Hafen führte. Theo hatte mit Sicherheit Gott und die Welt
nach Lautmann und Tönnessen ausgequetscht und dabei seinen „kleinen Anwalt“
nicht unerwähnt gelassen. Spätestens seit dem Tod von Tönnessen sprach das
ganze Milieu sowieso darüber. Und irgendjemand hatte jetzt so viele Fakten
beisammen, dass ein Bild daraus wurde und wollte sein Wissen loswerden.
Letztendlich waren also die inoffiziellen Wege immer noch die kürzeren.
    Chris hatte Mühe, nicht in Triumphgeheul auszubrechen, als er in aller
Eile Hose und Hemd anzog, die noch über dem Stuhl neben seinem Bett hingen. Er
steckte die 38er hinten in den Bund, das Handy in die Hosentasche und hastete
nach unten. Die Piusstraße lag still und menschenleer da. Die Leuchtreklame des
Imbiss war dunkel, und auch vor dem Kiosk von Hein waren die Jalousien
heruntergelassen.
    Er hetzte zu seinem Nissan, der — natürlich — unverschlossen war.
Rochuskapelle, das müsste er um diese Zeit in zehn Minuten schaffen. Er warf
einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett und brauste los. Es war 0:42 Uhr.
    Er spürte die Bewegung hinter sich mehr, als dass er sie hörte.
Gleichzeitig drückte etwas Rundes, Kaltes in seinen Nacken. In der ersten
Schrecksekunde verriss er das Lenkrad, konnte den Wagen gerade noch vor einer
Bordsteinkante abfangen.
    „Fahr uns nicht an die Wand, Kleiner.“ Die Flüsterstimme war nah an
seinem Ohr. „Sonst puste ich dir das Hirn weg.“
    Die Hände von Chris krampften sich um das Lenkrad, und er spürte, wie
sich jedes einzelne Haar in seinem Nacken aufstellte.
    Den Wagen auf der Straße halten, Sprenger. Ruhig bleiben,
weiterfahren. Keine Panik. Und atme. Vergiss das Atmen nicht. Einatmen,
ausatmen, langsam, regelmäßig.
    Wie war das gewesen? Souveränität zeigen. Nicht mutig sein, aber
Sicherheit ausstrahlen. Susanne hatte ihn vor ein paar Jahren zu einem
Polizeiseminar über „Geiselnahme und Entführung“ mitgenommen. Unter der Leitung
eines Psychologen probten sie drei Tage lang den Ernstfall. Die geschickt
aufgebauten Rollenspiele ließen einen fast vergessen, dass man sich nur in
einem Raum des Landeskriminalamtes Düsseldorf befand. Und Chris war
erschrocken, wie schnell die Atmung in einer Extremsituation durcheinander
geriet. Aber er hatte auch gelernt, wie sehr konzentrierte, bewusste
Atemkontrolle die Panik in Grenzen hielt. Vor allem durfte man das Ausatmen
nicht vergessen, wie der Psychologe eindringlich vermittelte.
    Er hatte damals tiefere Einblicke in die Polizeiarbeit gewinnen
wollen. Mehr nicht. Nie daran gedacht, dass er überlebenswichtiges Wissen
gesammelt haben könnte. Bis jetzt.
    „Okay“, begann er und wunderte sich, dass seine Stimme nicht zitterte.
Wie groß musste der Adrenalinstoß sein, um das zu bewirken? „Das reicht jetzt!
Wenn sie mir was zu sagen haben, tun Sie´s, und dann steigen Sie aus!“
    Die Stimme kicherte. Heißer Atem steifte sein Ohr, und er roch eine
Mischung aus Knoblauch und ungepflegten Zähnen, die sofort Ekel in ihm
auslöste. „So einfach ist das nicht, Kleiner. Du hast deine Nase ein bisschen
zu weit in Dinge gesteckt, die dich nichts angehen. Rechts abbiegen!“
    Während Chris der Anweisung folgte, unterdrückte er einen langen
Fluch. Von wegen Theo und Informant! Der Typ da hinter ihm kam von der
Gegenseite, und in seiner Unbesonnenheit und Euphorie war er ihm auf den Leim
gegangen. Herzlichen Glückwunsch, Sprenger! Ein einziger Scheißhaufen in
Nordrhein-Westfalen und du trittst voll rein. Einfach klasse!
    Wer war der Kerl da auf der Rückbank? Der Mörder von Lautmann und
Tönnessen? Und was hatte er jetzt mit ihm vor? Chris brach der Schweiß aus
allen Poren. Ruhe bewahren und atmen, regelmäßig atmen. Und da war noch etwas
gewesen auf dem Seminar. Na klar! Gonzo! Er würde den Typ Gonzo nennen.
Plötzlich hatte er die Stimme des Psychologen im Ohr: Gib deinem Gegner einen
Namen, einen möglichst lustigen. Damit grenzt du dich ab, erhebst dich über
ihn. Gonzo also, der tollpatschige Stuntman aus der Muppet-Show.
    Reden musste er mit ihm, im Gespräch bleiben. „Ich weiß nichts, was
die Polizei nicht auch weiß“, sagte Chris bestimmt.
    Wieder dieses Kichern, das ihm die nächste

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