Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
Gänsehaut über den Rücken
jagte. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Du bist ein kluger Kopf, viel zu
klug. Und jetzt halt dein Maul!“
    Der Druck in seinem Nacken verstärkte sich. Wenn Gonzo einen nervösen
Zeigefinger hatte …
    Sie fuhren jetzt auf der Dürener Straße stadtauswärts. Es herrschte
kaum noch Verkehr, und die wenigen Scheinwerfer strahlten geisterhaft die Bäume
des Grüngürtels an. Ein schützender Baldachin aus Baumkronen, der jetzt
irgendwie bedrohlich wirkte, düstere Schatten warf.
    Chris zermarterte sich das Gehirn. Aber was willst du tun, wenn sich
eine Revolvermündung in deinen Nacken quetscht? Einen Unfall provozieren? Auf
eine Polizeikontrolle hoffen? Gegen einen Baum fahren? In den Straßengraben? —
In jedem Fall wäre Gonzos Zeigefinger schneller. Er spürte, wie sich
Schweißperlen unter seinen Achseln sammelten und kitzelnd an den Rippen entlang
in den Hosenbund liefen.
    „Rechts“, flüsterte Gonzo.
    „Aber da geht´s zur Autobahn!“
    „Du hast es erfasst, Kleiner! Zweite Auffahrt!“
    Auf der A 1 Richtung Süden herrschte noch reger Verkehr. Chris
überholte eine Kolonne Lastwagen. Was hatte der Typ vor? Wenn er ihm den 
„klugen Kopf“ wegpusten wollte, hätte er das auf der Straße schon tun können.
    Atme, Sprenger, atme. Hatte dieser Seelenklempner damals nicht auch
was von „visualisieren“ gesagt? Die volle Konzentration auf nebensächliche oder
schöne Dinge legen? Aber wer brachte es fertig, mit einer Pistole im Genick von
Blumenwiesen zu träumen?
    Chris rief sich alle Flüche und Schimpfworte ins Gedächtnis, die er je
gehört hatte und belegte Gonzo im Stillen damit. Aber die Angst blieb.
    Sie passierten den Rasthof Ville. Hell erleuchtet. Menschen hinter den
Lichtern. Menschen! Er wollte zu ihnen, sich zwischen sie setzen, Kaffee
trinken. Ganz normal. Ein Mann, der von A nach B unterwegs ist und eine Pause
macht. Nichts war normal. Gar nichts.
    Eine blaue Tafel am Rand der Autobahn zeigte die Entfernungen nach
Koblenz, Trier und Euskirchen an. Als Chris endlich begriff, hätte er beinahe
das Lenkrad wieder verrissen. Euskirchen! Von dort aus war es ein Katzensprung
zum Arloffer Wald. Quer durch die Stadt, dann ein Stück Richtung Bad
Münstereifel und schon war man da. Er hatte es auf der Karte gesehen, als er
sein Bierglas darauf abstellte. Plötzlich hatte er die Fotos von Tönnessens
Leichnam vor Augen, die Großaufnahmen in allen grauenvollen Einzelheiten. Jeden
Schnitt durch ihren Körper, das zerfetzte Genick.
    Die Stimme von Susanne summte in seinem Ohr: „Ein Sadist, der ein
ziemlich großes Repertoire hat.“ Wie würde Gonzo es machen? Wieder mit dem
Messer? Oder wagte er sich so nah nur an Frauen heran, die ihm körperlich unterlegen
waren? War er Gonzo unterlegen? Um seine Brust legte sich eine eiserne
Klammer, die das Atmen schwer machte. Verdammt, er durfte jetzt nicht die
Nerven verlieren. Er drückte sich tiefer ins Polster, um seine eigene Pistole
im Rücken zu spüren, um sich einzubilden, dass er nicht ganz hilflos war.
    Am Kreuz Bliesheim wies Gonzo ihn an, sich wieder rechts einzuordnen
und weiter der A1 zu folgen. Es stimmte also! Soweit er sich erinnerte, war
Euskirchen die nächste Ausfahrt.
    „Was haben Sie vor?“ Seine Stimme war dumpf vor Erregung.
    Kichern. Dieses Ekel erregende, Panik auslösende Kichern. Die
Flüsterstimme an seinem Ohr. „Wirst schon sehen, mi cabrón! Ich soll dir das
Licht ausblasen. Und bei Kerlen tu ich das besonders gern, weißt du? Die halten
nämlich länger durch. Diese Hure letztens war wirklich jämmerlich.“
    Chris spürte, wie der kalte Lauf der Waffe beinahe zärtlich an seinem
Hals entlangfuhr. Selbst im Dunkeln sah er, dass seine Fingerknöchel weiß
hervortraten, als er das Lenkrad wie einen Rettungsring umklammerte. Übelkeit
stieg in ihm hoch, kroch die Wirbelsäule hinauf, zwischen die Schulterblätter
in den Nacken und breitete sich dort strahlenförmig im Kopf aus. Er
unterdrückte ein Würgen. Jetzt bloß nicht quer durch den Wagen kotzen. Denk nach!
„… soll dir das Licht ausblasen“, hatte Gonzo gesagt. Wer hatte ihm den
Auftrag gegeben? War er sicher, dass Chris nicht mehr würde reden können und
hatte sich deshalb zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen lassen?
    „Und wer hat solche Angst vor meinem klugen Kopf?“ Es gelang Chris,
beinahe lässig zu klingen.
    Aber Gonzo war clever oder ein Profi. Oder beides. „Spielt das für
dich noch eine Rolle? Und jetzt cállate

Weitere Kostenlose Bücher