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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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dafür mit einem betrunkenen Klempner.
    Auf welche Weise Freund Kostja diesen Proletarier kennengelernt hatte, blieb rätselhaft, offenbar hatten ihre Auren für einen Moment dieselbe Farbe angenommen. Oder sie hatten sich nach einer klassischen Dreier-Wodka-Sauf-Urzelle gesehnt.«
    Der Klempner besah sich die Wohnung und begriff, dass er in einem Paradies für Klempner gelandet war, ein weiberfreies Territorium mit zwei unrasierten und sturzbetrunkenen Kerlen. Der Klempner sagte: »Komme gleich.« Schnell lief er weg, schnell kam er wieder und zog einen Sack mit Speck hinter sich her. Gemessen an den Ausmaßen der Speise, hatte er wohl vorgehabt, für länger zu bleiben.
    So also tranken sie eine Zeit lang zu dritt: Veras Vater, Kostja und der Klempner.
    Letztlich beschloss Kostja, doch noch mal in den Laden zu gehen und etwas Normales zu essen zu kaufen. Wieder nahm er den Schlüssel von Veras Vater mit. Und verschwand. Seine Frau hatte ihn auf dem Handy angerufen, er war zu ihr gefahren … und hatte Veras Vater mit dem Klempner-Original zurückgelassen.
    Dass Veras Vater nicht lange mit dem Klempner allein bleiben konnte, ist ein Beweis für unsere Doppelmoral gegenüber dem »einfachen Volk«. Wenn wir dann dem Volk allein gegenüberstehen, stecken wir verlegen den Kopf in den Sand und sagen, ich bin dann mal weg, meine Mami wartet …
    Ich weiß nicht, was Veras Vater dem Klempner vorgelogen hat, aber er ging und ließ den Speck und ein paar Marinina-Krimis zurück – offenbar hatte er sich die kulturphilosophischen Gespräche seiner Flaschenbrüder sehr zu Herzen genommen.
    Das war die Geschichte …
    An deren Ende es an unserer Tür klingelte.
    Â»Mach nicht auf, Ira, das ist der Penner, der seinen Speck zurückhaben will!«
    Â»Dann geben wir ihn zurück, wo ist das Problem?«
    Â»Ich will ihn nicht sehen!«
    Â»Sei nicht dumm, ich mache auf und rede mit ihm …«
    Vor der Tür stand ein kleiner Kerl in Weste und mit Ohrenmütze. Erstaunt sah er mich an und fragte:
    Â»Ist der Herr zu Haus?«
    Â»Der badet leider gerade.«
    Â»Ja, sehr schade. Ich habe etwas bei ihm vergessen …«
    Â»Wenn er aus der Wanne kommt, werde ich ihm sagen, dass Sie da waren. Soll ich ihm etwas Konkretes ausrichten?«
    Â»Nein, nicht nötig, ich komme später noch einmal vorbei.«
    Â»Na gut. Kommen Sie noch einmal vorbei. Auf Wiedersehen.«
    Â 
    Den Speck habe ich irgendwann weggeworfen. Der Klempner kam nicht wieder, vielleicht hatte ich ihm einen Schrecken eingejagt.
    Aber dafür zog unser gemeinsamer Freund Ljoscha bei uns ein, der seine Frau verlassen hatte. Ich ging davon aus, dass er zwei Wochen bleiben würde, nicht länger.
    So wohnten wir zu dritt. Veras Vater mit seinem gebrochenen Bein, Freund Ljoscha mit seiner tiefen Depression und ich, die Schwangere.
    Die Psyche einer Frau verändert sich in der Schwangerschaft sehr. Wenn ich mich heute mit Abstand betrachte, ist mir klar, dass ein hysterischer Anfall alle zwei Tage übertrieben ist. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Die Hormone verdrehten mir die Psyche, die Gestose verspottete meinen Körper. Die Auseinandersetzungen entstanden aus dem Nichts. Wenn es wieder mal losging, übernachtete Freund Ljoscha immer im Badezimmer.
    Â»Ira, man kann einfach nicht mehr mit dir reden! Dein Horizont hat sich verengt, du denkst nur noch an die Geburt! Du hast dich in eine Glucke verwandelt! Man kann nicht mal mehr einen mit dir trinken! Meine Freunde haben schon Angst vor dir. Ljoscha, zum Beispiel. Du benimmst dich so, als wäre dir seine Anwesenheit lästig. Er ist schließlich unser Gast!«
    Â»Ja, er ist schon den zweiten Monat unser Gast. Findest du nicht, dass sich das ein bisschen hinzieht?«
    Â»Dann sag es ihm.«
    Â»Und wieso soll ich ihn rausschmeißen? Du hast ihn eingeladen, zwei Wochen hier zu übernachten, dann kannst du jetzt mit ihm reden.«
    Â»Wie hungrig ich bin. Liebste, lass uns was essen. Wo hast du denn diesmal den Käse versteckt?«
    Bis heute erstaunt mich die männliche Desorientiertheit im Kühlschrank. Sie schreien: »Ihr Frauen seid topografische Kretins!« Und selbst sind sie nicht in der Lage, einen Fünflitertopf auszumachen, wenn man ihn nicht genau in der Mitte und auf Augenhöhe abstellt.
    Während er ein mit Käse belegtes Brot kaute, fuhr Veras Vater fort:
    Â»Ljoscha hat dir

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