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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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warst?«
    Â»Seid ihr jetzt alle total verrückt geworden?«
    Â»Ira, reg dich nicht auf! Vielleicht sind sie auch garnicht von dir. Aber von wem dann? Außer dir kann es niemand gewesen sein, niemand hat sonst im Krankenhaus gelegen. Das Krankenhaus ist eine Brutstätte für alle möglichen Erreger, egal, wie toll es ist!«
    Â»Verstehe. Bist du sicher, dass es Kleiderläuse sind?«
    Â»Ira, ich schwöre dir, auf mir ist eine Kleiderlaus herumgekrabbelt, es war allerhöchstens eine Grasmilbe! Ich muss es schließlich wissen … Allerdings hat ein Freund von mir auf seinem Kopf eine Nisse gefunden und ein anderer eine Filzlaus. Wobei all diese Insekten erst nach deinem Besuch in unserer Wohnung waren.«
    Â»Du hast also auch Filzläuse und Nissen?«
    Â»Nein, Ira, wie dumm schwangere Frauen doch sind … Ich habe dir doch gesagt, dass wir zu Hause außer Kleiderläusen nichts haben. Meine Freunde haben sie an sich gefunden, jeder allein, aber das ist passiert, nachdem du hier warst. Meine Freunde und ich werden alles desinfizieren, und dann kommst du, Liebste. Du darfst doch keine Chemie einatmen! Bei der Gelegenheit werden wir auch die Wohnung aufräumen, ich denke, in einer Woche sind wir fertig …«
    Eine Woche wohnte ich bei meinen Eltern und erkundigte mich jeden Tag nach dem Stand der Dinge.
    Â»Ira, mach dir keine Sorgen, wir haben die Teppiche auf dem Balkon ausgebreitet, damit die Läuse frieren.«
    Â»Stellt euch doch selbst auf den Balkon und friert!«
    Als ich eine Woche später von meinen Eltern kam, fand ich den ziemlich abgemagerten Vater von Vera in einer verwüsteten Wohnung vor. Sein Bein war bis zum Knie eingegipst. Auf dem Gips prunkte eine mit roter Farbe gezeichnete nackte Frau auf allen vieren.
    Â»Haben dir die Ärzte den Gips so verziert?«
    Â»Ach was, Ira, eine Freundin war hier zu Besuch,eine Künstlerin. Eigentlich verdient sie ihr Geld mit Tanzen …«
    Â»Also eine Stripperin? Ist es die, die du im
Imperium der Leidenschaft
kennengelernt hast?« (Veras Vater hatte einige Zeit als Tonregisseur in diesem Nachtclub gearbeitet.)
    Â»Ja doch. Siehst du, wie vielseitig begabt das Mädchen ist! Sie zeichnet nicht schlecht …«
    Â»Ja, wie ich sehe, ist das Leitmotiv ihrer Arbeit das nackte Weib. Wobei das Genre keine Rolle spielt – Malerei oder Tanz …«
    Â»Wieso nackt? Schau doch mal genauer hin, das Mädchen auf der Zeichnung trägt Pumps!«
    Â»Und im Mund hat sie eine Zigarre?«
    Â»Ja, genau so ist es! Kannst du dir vorstellen, wie erstaunt die Ärzte sein werden, wenn sie mir den Gips abnehmen? So einen Gips haben sie noch nie gesehen! Ira, lass gut sein, ich bin in der letzten Zeit so ausgehungert. Ich konnte mir auf Krücken kaum ein Spiegelei braten …«
    Als ich den Kühlschrank öffnete, kam mir eine Riesenspeckschwarte entgegen. Der Speck war überall, auf den Einlegeböden, im Gemüsefach, im Eisfach … Dazu kam, dass der Speck von einem alten Schwein war und völlig ungenießbar. Das heißt, es war der Speck eines geschlechtsreifen Ebers – graugelb, ohne einen Streifen Fleisch, mit grobem grauem Salz eingerieben, vermischt mit Dreck und Haaren (nicht auszuschließen, dass auch Schamhaare dabei waren).
    Auf meine Frage, woher dieser Reichtum stamme, erzählte mir Veras Vater die Geschichte vom Speck.
    Nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus hatte Veras Vater Langeweile. Der Gips am Bein behinderteseine Fortbewegung und er hatte Schmerzen. Aber seine treuen Freunde ließen ihn nicht im Stich! Nein! Als sie erfuhren, dass ich im Krankenhaus festsaß, kamen sie ihrem verwundeten Freund zu Hilfe und brachten ihm ein Schmerzmittel. Dabei beschlossen sie, die Medizin mit ihm gemeinsam auszutrinken. Sie tranken etwa eine Woche lang nonstop. Am Ende des Marathons waren noch zwei Schmerzbeseitiger übrig: Veras Vater selbst und sein guter Freund Kostja. Sie tranken noch zwei weitere Tage und lasen einander Mandelstam-Gedichte vor, doch dann trat ein Fall ein, der in der Natur recht selten vorkommt: es gab noch etwas zu trinken, aber überhaupt nichts mehr zu essen.
    Kostja wollte in den Laden, um etwas zu essen (zum Alkohol) zu kaufen. Veras Vater gab ihm den Wohnungsschlüssel mit, da er nicht aufstehen wollte, um die Tür zu öffnen und zu schließen.
    Zwanzig Minuten später kam Kostja zurück. Ohne Nahrung,

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