Fehlt noch ein Baum
zwar durch den Austausch von Zettelchen (die Idee des Chatrooms gibt es im Volk offenbar schon lange).
Ständig machte er Kinder und bemäntelte die stümperhafte Anwendung von Verhütungsmethoden mit hochtrabenden Ideen. Seine Frau war eine Heldin. Sie ging ausschlieÃlich schwanger und milchabsondernd durchs Leben! Sie hätte es schlieÃlich auch wie Natalja machen können!
Natürlich können nicht alle Schriftstellergattinnen an einen Arzt geraten wie die Schauspielerin Knipper-Tschechowa.
Anton Pawlowitsch Tschechow war Mediziner und wusste ganz genau, was Verhütung ist, deswegen hatte er auch keine Kinder. Nach seinen Erzählungen zu urteilen, mochte er Kinder wohl auch nicht sonderlich. Man denke nur an
Schlafen, nur schlafen
, ein Werk, das in der Schule zum Pflichtprogramm gehört.
Literatur ist gut. Lyrik ist herrlich. Aber Dichter sind, wenn man mit ihnen zusammenleben soll, eine Katastrophe. Deswegen war ich nicht besonders erfreut, als bei Veras Vater ein poetisches Talent zutage trat.
In dieser Zeit war ich verstärkt auf der Suche nach einem Job, für den man nicht viel unterwegs sein musste, denn ich sollte nach wie vor das Bett hüten. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass sich der Chefredakteur eines Erotikmagazins für mich interessierte, dessen Hauptbüro sich in Sankt Petersburg befand.
Ein Journalist muss über alles schreiben können. Er muss schnell das Problem erfassen, etwas dazu schreiben und unbedingt Geld für seine ehrliche Arbeit bekommen. Das Geld ist die Hauptsache. KostenloseTexte bringen die gesamte Idee des Journalismus in Verruf.
Ich kaufte mir ein paar Zeitschriften, um mich in das Thema zu vertiefen und das Format der Publikation zu verstehen. Zur selben Zeit studierte Veras Vater die Lebensbeschreibungen antiker Heerführer, zum Beispiel von Gaius Julius Cäsar. Und so lagen wir da, lasen und kratzten uns. Veras Vater kratzte sich das Bein und ich die gesamte Fläche meines schwangeren Körpers (obwohl die Läuse in der Wohnung vernichtet worden waren, glaubte ich ständig, dass sie wieder aufgetaucht waren, auf mir herumkrabbelten und mich bissen).
»Liebste, was liest du denn da so hingebungsvoll?« (Schab-schab, schab-schab)
»Zeig ich dir nicht!« (Schab-schab, schab-schab)
»Liebe, sei nicht kindisch, ich interessiere mich für deine geistige Welt, für das, was dich erfüllt.« (Schabschab, schab-schab)
Ich erinnere mich, dass unser Dialog vom Klingeln an der Tür unterbrochen wurde, dort stand Freund Ljoscha, und hinter seinem Rücken schaute ein junges Mädchen mit einem langen Zopf hervor. Ljoscha blitzte mich aus seinen Augen an und presste hervor: »Das ist meine Braut.« Zusammen gingen sie an uns vorbei ins Badezimmer.
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1. Oktober 2003
Der Traum einer Mutter
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Meine Wunschträume sind schlicht und frei von jeglichem Ãsthetizismus. Hier ist er, der Traum einer Mutter:
Ich höre auf, Vera zu stillen. Ich finde eine leere Wohnung vor. Ich kaufe zwanzig, nein, dreiÃig Flaschen Wodka und gebe mich einen Monat dem Suff hin.
Träumen darf man ja noch.
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6. Oktober 2003
Promenaden
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Gestern habe ich mir endlich einen lang gehegten Wunsch erfüllt â ich war nachts mit dem Kind spazieren. Danach schlief Vera wie ein Student nach einer Prüfung. Dafür leidet meine Schwester schon seit einer Woche unter Schlaflosigkeit. Meine Mutter schlug vor, sie solle nachts mit Vera spazieren gehen. »Dann schläft wenigstens einer!«
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6. Oktober 2003
Xenophobie
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Als ich mit Vera zurückkam, gingen vor mir auf der Allee zwei Kaukasier. Zufällig hörte ich ihr Gespräch mit:
»Ja, Moskau ist eine gute Stadt, viel Geld â¦Â«
»Das kannste wohl sagen, es gibt nur zu viele Russen.«
Aus irgendeinem Grund unterhielten sich die Kaukasier auf Russisch.
Im Allgemeinen pflege ich eine gemäÃigte Xenophobie gegenüber den Kaukasiern, die sind mir irgendwie verdächtig.
Meine Freundin beklagt sich immer, dass alle Erzieherinnen im Kindergarten nationalen Minderheiten angehören. Aber das Gehalt ist schlieÃlich gering. Deswegen gibt man seine Kinder dort nur ab, damit sie beaufsichtigt werden, das Kulturprogramm veranstalten die Eltern selbst. Zum Beispiel bringen sie ihren Kindern richtiges Russisch bei.
Meine Freundin schlägt vor: Ira, lass uns im Kindergarten arbeiten! Wir bekommen zwar wenig Geld
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