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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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ausgerechnet in der Schwangerschaft getrennt. Das machen viele so.«
    Â»Ich dachte, ihr hättet euch später getrennt …«
    Â»Endgültig haben wir uns später getrennt, als unser Sohn drei Jahre alt war. Und vorher ging es an die fünf Mal hin und her. Männer sind wie Bumerangs: Wenn man sie wegwirft, kommen sie nach einiger Zeit wieder angeflogen. Nur manchmal kommen sie eben zu spät zurück.«
    Â»Danke, du hast mich beruhigt. Du bist so lieb und fürsorglich.«
    Â»Wenn ich ohne Mann bin, schläft meine Fürsorglichkeit wie ein Bär im Winter. Ach, wenn es doch nur was mit Chris werden würde …«
    Chris war Olgas Freund in Großbritannien, mit dem sie einen leidenschaftlichen E-Mail-Wechsel führte. Um diesen Verehrer war sie zu beneiden – Fachmann für die Reparatur von Spielautomaten und geschieden. Kandidat Nummer eins für meine vierzigjährige geschiedene Freundin. Sie hatte mir sein Foto gezeigt. Aus meiner Sicht allerdings bestand sein einziger Vorzug darin, dass er Engländer war.
    Wenn Olga aus ihrer Galerie kam, benahm sie sich wie ein Zombie. Setzte sich sofort an den Computer und ging ins Netz, da hätte eine Bombe neben ihr einschlagen können.
    Ich erinnere mich daran, dass zu dieser Zeit bei den Nachbarn über uns die Waschmaschine kaputtging und Olga und ich Überschwemmungsopfer wurden: ein Teilder Küche und der Vorratsraum, in dem sie ihre Wintersachen aufbewahrte, standen unter Wasser.
    Nachts um halb eins zerrte ich die Pelzmäntel aus der Vorratskammer und hängte sie in den Zimmern auf. Olga schrieb währenddessen eine Live-Reportage vom Geschehen in unserer Wohnung. Via Internet berichtete sie ihrem Engländer, was vor sich ging.
    Â»Er fragt mich, was wir gerade machen.«
    Â»Schreib ihm, wir trocknen unsere Bauernpelze und Walenki nach einer Überschwemmung.«
    Â»Ich weiß nicht, was Walenki auf Englisch heißt, und im Wörterbuch steht es nicht.«
    Â»Na dann schreib Filzstiefel.«
    Â»Ich habe es ihm geschrieben, er wundert sich, dass wir keinen Trockner haben!«
    Â»Was ist das denn?«
    Â»Die Frage habe ich ihm auch gerade gestellt, da hat er sich noch mehr gewundert …«
    Â»Schreib ihm, dass uns der Ofen zum Aufwärmen reicht. Und als Unterschrift –
Wild Woman
.«
    Â»Oh!«
    Â»Was, hat Chris Angst vor dir bekommen?«
    Â»Nein, er schreibt, dass ich etwas Besseres verdient habe, als in diesem Horror zu leben, er will mich nach England holen!«
    Â»Dann fahr hin und nimm auch gleich mein Kind mit. Es fällt mir natürlich schwer, aber es geht schließlich um sein Glück.«
    Â»Und wie soll ich das Kind über die Grenze bringen? Es ist doch nicht meins.«
    Â»Als Schmuggelware, unter Apfelsinen versteckt.«
    Â»Oh, oh, oh.«
    Â»Was ist denn?«
    Â»Welche Geständnisse er mir hier schreibt, er will mich unbedingt retten! Wie er mich liebt! Das werde ich speichern, dann kann ich es im Alter noch mal lesen und meinen Enkeln zeigen, was für eine
Femme fatale
ich war …«
    Â»Zeig das deinen Enkeln bloß nicht. Die werden dir die Fresse polieren dafür, dass sie keine Engländer geworden sind.«
    Â»Er schreibt, dass sein Haus besser ist als eine mehrgeschossige Kloake. In England leben nur die Neger so.«
    Â»Ich glaube nicht, dass die Neger bei denen so leben.«
    Â»Ich habe ihm geschrieben, wir haben noch Glück, dass es kein Feuer war!«
    Â»Richtig. Und schreib noch dazu, dass es bei uns oft Brände gibt. Wie sie sonnabends auf allen sechzehn Stockwerken die Samoware anzünden. Wie die Walenki qualmen, die Kohle brennt und man die Luft mit dem Messer schneiden kann!«
    Â»Er meint, dass er mir Geld schicken und kommen will, er hat gerade Urlaub.«
    Â»Er braucht nicht zu kommen, um die Zeit sind die Bären unterwegs auf den Straßen von Moskowien, aber money kann er ruhig schicken! Willst du mir nicht helfen? Sind das etwa meine Pelze?«
    Das Beste ist, dass es mit Olga und dem Engländer geklappt hat. Mittlerweile schreibt sie mir aus Wales. Das Leitmotiv lautet: Die Engländer sind Esel. Zurückkommen will sie allerdings nicht.
    Â 
    Ich wohnte einen ganzen Monat bei Olga. Meistens lag ich auf dem Sofa und schaute den Musikkanal. Eigentlich bin ich ein unmusikalischer Mensch. Als ich mir die Musikclips anhörte, oder besser gesagt: ansah, legteich eine Hand auf

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