Fehltritt Im Siebengebirge
widersprochen – wir tun später ohnehin, was wir für richtig halten. Bei Besuchen von Politikern, vor allem Ministerkollegen hier im Hause, obliegt Ihnen der Empfang, eine geschickte Betreuung und auch schon mal die Bewirtung, soweit nicht Extrapersonal eingesetzt wird. Nur wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe, ziehen Sie sich unauffällig zurück. Bei Besuchen von Petenten, Verbandsvertretern, Subventionsempfängern und was es da alles für Schnorrer gibt, bleiben Sie grundsätzlich anwesend. Sie übernehmen, soweit erforderlich, das Protokoll, sonst wird ein Kurzvermerk gefertigt. Kaffee oder Tee wird von den Sekretärinnen serviert. Bei Fachgesprächen mit Beamten des Hauses sind Sie selbstverständlich immer dabei. Bewirtet wird hier nur in Ausnahmefällen. Die Terminplanung obliegt Ihnen gemeinsam mit dem Leiter des Ministerbüros. Alle Vorgänge laufen zunächst über Ihren Schreibtisch. Ich erwarte von Ihnen Hinweise – vor allem auf verborgene Falltüren. Faul ist immer dann etwas, wenn ein Referent lange Ausführungen macht und um Entscheidung von meiner Seite bittet. Ich wünsche ein Votum, einen Vorschlag, den dieser Mensch auch zu vertreten hat. Also in solchen Fällen, zurück mit dem Vorgang – und machen Sie denen Feuer unter den – na ja. Soweit das Grundsätzliche. Wir beide werden zumeist allein die Gespräche nachkarten und unsere vertraulichen Überlegungen austauschen.« Der Minister hob die Stimme: »Hier bei mir im Leitungsbereich gibt es einen Grundsatz. Wer Vertrauen bricht, ist erledigt – total – für immer und überall.«
Carla Steiner nickte und sah ihren Chef gläubig an, als er fortfuhr: »Einfach ist das zunächst alles nicht. Doch für den Fachkram haben wir die Beamten – die meisten funktionieren wie Automaten. Wir hier an der Spitze müssen übergreifend denken. Dafür gleich ein Beispiel: In den nächsten Wochen ist das große europäische Ministertreffen vorzubereiten. Ich habe den Vorsitz. Ein Dutzend Minister, ein weiteres Dutzend Staatssekretäre, die entsprechende Anzahl Botschafter mit zig Fachleuten und das alles mal zwei, da mit Ehefrauen – aber das kontrollieren wir nicht. Dazu einen Haufen Exponenten unserer Wirtschaft. Die Mitarbeiter sind schon voll im Geschirr. Sie, Carla, haben sich um das Damenprogramm zu kümmern und mit mir den Gesamtrahmen abzustecken. Gemeinsam ist umgehend ein delikates Problem zu lösen. Die Veranstaltung muß unseres Ansehens würdig sein – ich bin politisch gefordert. Denken Sie an die Wirkung in Presse, Funk und Fernsehen. Doch nun das ganz dicke ›aber‹, uns fehlen noch Mittel. Mit dem kümmerlichen Haushaltsansatz von sechzig- bis siebzigtausend Mark läßt sich nicht viel hermachen. Das reicht vielleicht für ein Kanzlerfest mit Würstchen und Kartoffelsalat – aber nicht für uns.«
»Was kann ich dabei tun?« fragte Carla Steiner unsicher.
»Erst einmal mitdenken. Wen können wir als Förderer, ganz legal ohne Amnestiegesetz – haha – vor unseren Karren spannen? Wen? Na den, der von uns etwas will. Und da gibt es schon mal den Herrn Erlenborn.«
»Sie hatten ihn für morgen zum Frühstück gebeten«, gab Hedwig Bessener kund. »Ich habe den Termin auf halb zwölf angesetzt. Das Essen wird gegen zwölf Uhr serviert. Der Party-Service stellt auch einen Kellner.«
»Sehr gut, Hedwig. Sehen Sie, Carla – ich bleibe der Einfachheit halber beim Vornamen –, das heißt mitdenken. Dieser Erlenborn kommt allein. Sie, Carla, werden am Essen teilnehmen. Damit wird dem Schnapshändler deutlich, daß in Zukunft Sie in meinem Namen mit ihm verhandeln. Das Wort verkehren möchte ich in diesem Zusammenhang nicht gebrauchen, haha.«
»Welche Rolle haben Sie mir dabei zugedacht?«
»Ich wiederhole mich ungern – mitdenken und entsprechend handeln. Erlenborn erwartet von mir als Europaminister die Übernahme der Schirmherrschaft über sein umweltfreundliches Reklameunternehmen – irgend so ein Biotopenquatsch. Der Schlaumeier will natürlich seinen Umsatz steigern. Na, soll er doch. Ich erwarte von ihm eine maßgebliche Förderung des Ministertreffens, um genau zu sein, des Rahmenprogramms, als da wären Rheindampferfahrt, Präsente, ein Imbiß für alle und repräsentative Essen, Busfahrten und was das Herz begehrt. Er wickelt ab und rechnet ab – autonom, ohne uns. Kein Schriftverkehr, kein Rechnungshof. Das müßte auf eine, na sagen wir, mindestens Verdoppelung der Fazilitäten hinauslaufen. Dieses auszuloten ist der Sinn
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