Fehltritt Im Siebengebirge
ferngehalten werden, zu ihrem eigenen Schutz und wegen der Gefahr, daß abgetretenes Geröll die Taucher im See treffen könnte.
Die untere Zufahrt über den Schotterweg war eng und unbequem. Hier hätten Neugierige die Aktion nur behindert. Der schnelle Reporter Mauser hatte die Lage richtig eingeschätzt und seinen Wagen vor der Autobahn-Fußgängerüberführung abgestellt. Die wenigen Meter bis zum Hohlweg war er zu Fuß gegangen. Er begrüßte Lupus und die anderen Mitarbeiter. »Danke für die Mitteilung aus Leserkreisen. Und nun bitte – bevor die Anfahrt beginnt – aufstellen zum Gruppenbild mit Dame.«
»Darum möchte ich auch sehr gebeten haben«, sagte Fräulein Kuhnert, »bitte en face und en profil.«
»Sehr gern. Die Presse liebt nun mal das Ungeheuer von Loch Ness«, stellte Mauser wohlwollend fest und schoß mit dem Winder – sst-klick, sst-klick – einige Aufnahmen für das Familienalbum.
Vom Dornhecken-See kam Motorengeräusch näher. Der Schotter knirschte. UNI 11/22 geleitete den Pol-Bus des Bundesgrenzschutzes und den noch ganz neu wirkenden Tauchereinsatzwagen zum Abstellplatz neben dem Hohlweg. Der Einsatzwagen, ein Mercedes 911 mit Kastenaufbau, enthielt die gesamte Ausrüstung und die stets mitgeführte Druckkammer, die schon bei manchem Tauchunfall lebensrettend gewirkt hatte. Der Chef der Tauchergruppe, Hauptmeister im BGS Berning, rief seinen Männern ohne aufdringlichen Befehlston zu: »Wartet noch. Der Kollege von der Kripo, Hauptmeister Müller, wird uns klarmachen, worum es geht. Dies ist keine reine Übung. Wir tauchen in erster Linie für die Bonner Mordkommission. – Lupus, fang an. Wir sind ganz Ohr.«
»Komischer Vorname«, sagte ein junger Oberwachtmeister zu einem älteren Kollegen. Der winkte ab. »Das ist ein Spitzname und lateinisch: Tiger, Panther oder so.«
»Quatsch – Wolf«, berichtigte ein anderer.
»Na ja, meine ich doch.«
Lupus ließ sich auf dem vorderen Sitz im Pol-Bus nieder, drehte sich um und sagte: »Ihr wißt aus der Zeitung vom Unfall des Zöllners hier am Blauen See.« Die Köpfe nickten. »Was ihr nicht wissen könnt – die Spekulation der Presse stimmt. Dieser Werner Klatte ist am Sonnabend morgen durch einen Schlag mit einem länglichen Gegenstand auf den Hals vom Leben zum Tode befördert worden. Spätestens dann, als ihn der Täter von da oben in den Blauen See expediert hat, war es aus mit ihm. Da zur Zeit bei uns kein Krieg stattfindet, nennen wir das Mord.«
»Die Gangster gehören aufgehängt, zweimal«, rief einer der Taucher.
»Ja – aber das dürfen wir nicht. Mein Kommissar läßt mir da keine freie Hand. Also, was gesucht wird, ist die Tatwaffe. Sie könnte, muß aber nicht, da unten irgendwo im Wasser liegen.«
»Und was für eine Waffe?« kam die Frage.
»Wenn wir das wüßten! Vielleicht irgend etwas Metallenes, Schraubenschlüssel, Eisenstange – weiß der Teufel. Ihr müßt da unten alles abkrabbeln und ans Ufer bringen.«
»Da liegen bestimmt noch Granaten im Schlamm. Ich habe hier schon mal getaucht, als wir mit dem Hubschrauber einen zerdötschten PKW samt Leiche aus dem Loch geholt haben. Zwei oder drei Jahre ist das her«, warf der Chef der Tauchergruppe ein.
»Um Himmels willen«, winkte Lupus ab. »Laßt das Zeug bloß liegen. Das hat unser Mörder bestimmt nicht benutzt. Der war ja nicht lebensmüde! Damit wir sehen, wie die Fallkurve läuft, wird mein Kollege Ahrens von der Kante dort oben einen Stein und dann ein rot-weiß umwickeltes Stück Moniereisen herunterwerfen. Vielleicht hilft’s euch, den richtigen Punkt zu finden.«
Ahrens kletterte inzwischen den Hang zum Rauchlochweg hinauf und begrüßte einige Kollegen der Schutzpolizei, die das Gebiet absicherten. Dann setzte er sich auf dem Rastplatz an den Holztisch, wo er vor achtundvierzig Stunden noch versucht hatte, gemeinsam mit seiner Kommissarin im Ehrenamt den Ornithologen zu spielen und verrückte Neugierige zu fotografieren. Wegen der Absperrung würde er heute allein bleiben. So konnte er mit Fotoapparat und Telezoom gewiß einige besondere Vogelflugaufnahmen auf den Film bekommen. Er nahm das handliche Sprechfunkgerät aus der Tasche und schaltete auf den internen Kanal des 1. Kommissariats.
»Lupus! Ich bin oben – wann soll ich das Zeug runterwerfen?«
»Mach es dir bequem und warte ab. Die Frösche müssen erst ihre Montur anlegen und sich aufblasen. Bleib auf Empfang, ich melde mich.«
»Verstanden – Ende!«
BGS-Hauptmeister Berning
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