Fehltritt Im Siebengebirge
Abbruchkante der Steilwand. Er hielt sich am Geäst eines Baumes fest. »Aha, da nahen die Helden. Alles klar, die Tatwerkzeuge liegen bereit.«
Jetzt ging alles sehr schnell. Bei den Tauchern saß jeder Handgriff. Kein Befehl war erforderlich. Das Atemgerät PA 38/3600 mit den beiden Preßluftflaschen zu 300 bar Druck auf den Rücken schnallen, Reißverschlüsse zu, Halbmaske auf, Lungenautomat und Tarierweste anschließen, Druckminderer justieren, Flossen an die Füße, Leine einklinken, Mundstück zwischen die Zähne, Handschuhe an – und vorsichtig über das steinige Ufer ab ins Wasser.
»Wir machen erst ein kurzes Orientierungstauchen«, erklärte der Chef der Tauchergruppe. »Wenn die Leute zurück sind, können die Markierungen geworfen werden.«
Lupus gab die Information an Ahrens weiter.
Die Beobachter am Ufer sahen nur noch einen Wasserspiegel, der sich wieder glättete und die Steilwände des Basaltsteinbruchs zitternd reflektierte. In kurzen Abständen stiegen die Blasen der verbrauchten Atemluft hoch. – Schon nach wenigen Minuten kehrten die ersten Taucher zurück, schoben die Masken hoch und nahmen die Mundstücke heraus. »Ziemliche Brühe da unten. Zwei Fahrräder, ein leichtes Motorrad, versunkene Äste und Blechdosen.«
Etwas später kamen die beiden Taucher im Naßbiber an die Landzunge. Sie hatten sich in der tieferen Region umgesehen. »Zur Mitte hin geht’s noch einmal steil abwärts. Seid vorsichtig. In dem Loch liegt haufenweise Stacheldraht.«
Hauptmeister Berning wandte sich an Lupus: »Von uns aus kann euer Mann da oben seine Bomben werfen.«
Ahrens nahm die Mitteilung über sein Sprechfunkgerät entgegen. »Verstanden – ich werde jetzt den Täter spielen.« Er ging einige Meter zurück und umfaßte den Stein. »Achtung! Tatwaffe Nummer eins kommt!«
Alle Augen hingen an der Abbruchkante. Ein fallender Punkt – platsch! Die aufspritzenden Tropfen fielen zurück, und die Wellenkreise verliefen sich bis zum Rand des kleinen Sees.
»Bestens!« rief Lupus über Funk. »Von deinem Standpunkt aus gesehen im ersten Drittel bis Mitte. – Jetzt das Moniereisen!«
Pressemann Mauser hatte die Kamera am Auge. Ahrens trat wieder zurück, holte weit aus und warf die »Tatwaffe zwei« im hohen Bogen über die Kante.
»Sehr gut!« ließ sich Lupus vernehmen. »Das war nur wenig kürzer. Es reicht. Nun spiel nicht auch noch das Opfer und komm brav zu Fuß zurück. – Lebend, wenn’s geht!«
Fräulein Kuhnert hatte die Anfangszeit des Unternehmens und die ersten Maßnahmen bereits notiert. Mauser glaubte, den rot-weißen Eisenstab genau im Bruchteil der Sekunde vor dem Eintauchen in das Wasser mit der Kamera erwischt zu haben.
»Dann wollen wir mal«, sagte der Chef der Tauchergruppe und gab seinen Leuten das Zeichen für den Beginn der Suchaktion.
Kommissar Freiberg hatte im Präsidium vergeblich auf Marianne Richter gewartet. Auch das Telefon war stumm geblieben. Gegen 10.30 Uhr rechnete er nicht mehr damit, daß sie sich noch melden würde. Abermals vergewisserte er sich bei der Einsatzleitung, daß kein Hinweis auf Guido Siemann eingegangen war. Dieser war nunmehr seit über vierundzwanzig Stunden wie vom Erdboden verschwunden. Das sah gar nicht gut aus!
Weniger der Überlegung als dem Instinkt folgend, zog Freiberg die Schreibtischschublade auf und nahm das von Klatte geführte Ringbuch heraus. Er blätterte es ganz langsam durch. Sein Blick blieb an der Eintragung »Spedimpex Bonn-Beuel« haften. Nun zog er das Telefon näher und wählte die Nummer. Barbara Siemann meldete sich mit geschäftsmäßiger Stimme. Als Freiberg seinen Namen nannte, hörte er einen kurzen Laut des Erschreckens. »Was wollen Sie schon wieder? Es ist schon ein starkes Stück, meinen Bruder des Mordes zu verdächtigen. Alle Mitarbeiter sind empört und mein Vater liegt mit einem Herzanfall zu Hause.«
»Haben Sie von Ihrem Bruder eine Nachricht?« fragte Freiberg kurz und direkt.
Barbara gab keine Antwort.
»Wenn er gestern wirklich zum Arzt wollte und heute noch nicht zurückgekommen ist, dann ist etwas faul an der Sache, und die Polizei tut gut daran, ihn zu suchen. Warum ist er heute nicht zur Arbeit erschienen? Also noch einmal: Hat er Sie angerufen?«
»Vielleicht hat man ihn im Krankenhaus festgehalten«, versuchte Barbara abzulenken.
»Sicher, das wäre möglich, aber dann hätten Sie Bescheid bekommen. – Hat er Sie angerufen?«
»Hm.«
»Sie wissen, wo er steckt?«
»Nein –
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