Fehltritt Im Siebengebirge
saufen sollen.«
»Wenn sich die Betriebskosten nicht mehr senken lassen, geht’s beim Schnaps nur noch durch Steuerhinterziehung. Die Hälfte oder Dreiviertel des Preises sind Steuern. Laß die mal wegfallen, dann läufst du jeder Konkurrenz davon und verdienst dich immer noch dumm und dämlich!«
81/10 hatte an der Ampel kurz halten müssen und heulte jetzt die Ollenhauerstraße entlang. Am Südfriedhof scharfer Einschlag nach rechts. Die Reifen quietschten, als ob die Toten geweckt werden sollten.
»Willst du uns dorthin expedieren?« fragte Lupus etwas weniger forsch und zeigte mit dem Daumen nach links.
Freiberg hatte sich umgedreht und umklammerte die Rückenlehne. Er rechnete seinem Kollegen vor: 100 Liter Alkohol bedeuteten 2550 Mark Steuern, 1000 Liter 25500 Mark, 10000 Liter 255000 Mark. Bei 20000 Litern im Tankfahrzeug waren das über eine halbe Million Mark.
»Ich werd’ verrückt. Guido schmuggelt den Saft mit gefälschten Papieren durch den Zoll, und Onkel Hartmut hat bei, na sagen wir, sechzigtausend Flaschen eine halbe Million gespart. Das darf doch nicht wahr sein!«
»Selbst wenn er in Antwerpen etwas teurer einkaufen muß, ist das noch ein Geschäft, bei dem sich die Dümmsten gesundstoßen. Das ein- oder zweimal im Jahr, und du kannst nur noch zuschlagen, wenn dir einer auf die Schliche kommt. Sonst bist du selbst erledigt.«
»Chef, das klingt makaber – keiner war besoffen, und doch ist es ein Alkoholdelikt.«
»Wie zu Amerikas besten Zeiten der Prohibition. Ein kleiner Al Capone am Rhein.«
Peters mußte das Tempo drosseln. Auf der Karl-Barth-Straße herrschte starker PKW-Verkehr. Links das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, nach wenigen Metern rechts schon die Erich-Kästner-Schule. Durch die Lüftungsklappen kam der intensive Geruch von Lakritz in den Wagen – kurz vor dem Ziel die Duftnote Haribo.
»Blaulicht und Musike aus – Streifentempo!« rief Hauptkommissar Freiberg.
Von der Friedenskirche aus steuerte UNI 81/10 mit langsamer Fahrt auf das Verwaltungsgebäude mit den markanten Lettern ERLENBORN zu.
»Gibt es Nebeneingänge?«
»Ja, ich kenne den zum Fabrikationsgebäude«, sagte Peters. »Da sind auch die Lagerkeller.«
»Sehr gut – also dorthin!«
Verdutzt schaute der Pförtner auf, als UNI 81/10 auf den Destillenhof fuhr. Kein Arbeiter war zu sehen, und alle Fahrzeuge schienen mit ihren Ladungen unterwegs zu sein.
Freiberg hatte die Grundrisse der Bauzeichnung noch gut in Erinnerung. Im Keller des langgestreckten Gebäudes zur Linken befand sich zunächst das Lager für den unversteuerten Alkohol, dann die Zisternen für den Brennwein und schließlich das Faßlager für den Weinbrand. Ein kleiner Bürotrakt war nachträglich seitlich angebaut worden und durch das Schild »Branntweinlager-Zollüberwachung« gekennzeichnet.
Peters ließ den Wagen langsam weiterrollen. Etwas verdeckt durch den Anbau stand ein Personenwagen im Mauerwinkel. Lupus sah ihn zuerst: »Der schwarze Quattro! – Guido Siemann ist hier. Den müssen wir uns schnappen!«
»Halt!« rief Freiberg. »Verdammt, jetzt haben wir den Salat.« Er drückte den Info-Geber auf Status 4 – angekommen – und griff zum Peiker-Mikrofon: »UNI für UNI einundachtzig/zehn – Achtung! Betrifft Fahndung nach Guido Siemann. Gesuchte Person vermutlich in der Brennerei Erlenborn in Kessenich. UNI einundachtzig/zehn an Ort und Stelle. Lage unübersichtlich – brauche dringend Unterstützung für Durchsuchung des Gebäudes – Ende.«
»Verstanden – Verstärkung kommt – Ende!«
»Bleib am Gerät«, sagte Kommissar Freiberg zu Peters. »Weis die Verstärkung ein: Ausgänge blockieren, Chefbüro und Buchhaltung besetzen. Vor allem absperren, damit uns die Werktätigen nicht in die Quere kommen. Keiner darf den Bau verlassen. Auf, Lupus, wir müssen nachsehen, was da drinnen los ist. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«
»Du meinst, die bringen sich gegenseitig um?«
»Jetzt ist alles möglich.«
Fast gleichzeitig hatten Freiberg und Lupus ihre 9-mm-Sig-Sauer in der Hand.
»Scheiß-Job«, sagte Lupus. »Ich wäre lieber beim Lanzenstechen.
Aber der Bursche soll sich vorsehen – du weißt, wie fies ich auf Mordbuben bin.«
»Los, wir fangen hier vorn an – Peters mit UNI einundachtzig/zehn deckt den Hof ab. Auf!«
Die beiden waren mit wenigen Sätzen am Anbau. Freiberg schob die Tür mit der Aufschrift »Branntweinlager« erst langsam und dann mit einem Stoß ganz auf. Lupus sicherte durch das
Weitere Kostenlose Bücher