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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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dem Midshipman geschlossen hatte, fügte er hinzu: »Dieser Junge hat in seinem Leben mehr erdulden müssen, als du ahnst. Sein Vater hat Schande über ihn gebracht, und jetzt sucht er bei mir Stütze und Vertrauen, und ich bin stolz, daß ich ihm beides bieten kann.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich will den Jungen nicht völlig verstören, indem ich den Mann festsetze, den er für tot hält. Dessen Namen neben dem meines Vaters in der Kirche in Falmouth steht.« Er sah seinen Bruder wanken, konnte aber seine Worte nicht zurückhalten. »Er ist quer durch ganz Cornwall gewandert, allein und ohne Hilfe, nur um diesen Namen zu lesen.
Deinen
Namen.«
    Hughs Stimme war heiser. »Das wußte ich nicht.« Er sah auf, sein Blick war plötzlich verzweifelt. »Und seine Mutter?«
    »Ist tot. Sie mußte sich sogar irgendeinem verdammten Grundbesitzer hingeben, um ihren Sohn ernähren und kleiden zu können.«
    »Das habe ich wirklich nicht gewußt.« In seiner Stimme lag keine Kraft mehr. »Du mußt es mir glauben.«
    Bolitho fuhr herum, seine Augen funkelten. »Es ist mir gleichgültig, was du wußtest oder nicht, verstehst du? Ich bin der Kommandant dieses Schiffes, und du bist Mr. Selby, Steuermannsmaat der Backbordwache!« Er sah, daß sein Bruder unter der Sonnenbräune blaß wurde. »Wenn du dir eingebildet hast, du könntest deiner Vergangenheit entfliehen, dann hast du dich geirrt. Der Mann, der die Fregatte
Spartan
befehligt, war früher dein Gefangener. Mein Zweiter Offizier und mehrere Leute der Besatzung stammen auch aus Cornwall.« Er schüttelte den Kopf. »Du bist überall von deiner Vergangenheit umgeben, genau wie ich.«
    »Danke, daß du mir die Chance gibst, mich…« Er verstummte. Bolitho trat an die Heckfenster und blickte starr auf die langsam segelnde
Hermes
hinaus.
    »Ich habe gar keine Wahl. Wenn wir beide England heil erreichen, will ich sehen, was getan werden kann, aber ich verspreche nichts. Denk daran.« Er machte eine Handbewegung zur Tür. »Gehe an deinen Dienst und melde dich beim Steuermann.« In der spiegelnden Scheibe des nächsten Fensters sah er die gebeugte Gestalt seines Bruders. Ruhig fügte er hinzu: »Und wenn du dem Jungen gegenüber auch nur die geringste Andeutung machen solltest, sorge ich persönlich dafür, daß du gehängt wirst.«
    Die Tür schloß sich, und Bolitho ließ sich schwer in einen Sessel fallen. Wie war das nur geschehen? Ihre Mission konnte noch viele Monate dauern, sogar Jahre. Es war ebenso unerträglich wie unfair. Die Tür öffnete sich wieder, und Inch fragte besorgt: »Hat Mr. Pascoe Ihnen die Bitte um Erlaubnis, ein zweites Reff zu stecken, vorgetragen, Sir?«
    Bolitho stand auf. Er spürte, daß ihm Arme und Beine zitterten, trotz seiner angestrengten Bemühungen, es zu unterdrücken.
    »Ja, danke. Ich komme hinauf.«
    Inch ging neben ihm zum Achterdeck. »Hat Mr. Selby Ihnen brauchbare Informationen geben können, Sir?«
    Bolitho starrte ihn überrascht und verständnislos an. »Informationen? Was für Informationen?«
    »Verzeihung, Sir. Ich dachte nur…« Unter Bolithos scharfem Blick verstummte er.
    »Ach so. Ich verstehe.« Bolitho ging nach Luv und blickte zu den prall stehenden Segeln auf. »Nur sehr wenige.«
    Als die Pfeifen schrillten und die neue Wache aufenterte, stand Bolitho immer noch ohne etwas zu sehen, und spielte mit dem kleinen Medaillon unter seinem Hemd.
    Als sich die Dunkelheit über das Schiff senkte und die kleinen Hecklaternen sich wie Glühwürmchen im bewegten Wasser spiegelten, stand er weiterhin an derselben Stelle und starrte mit umwölkten Augen in die Finsternis und noch weit über sie hinaus.
    Erst als Gossett mit schweren Schritten und einer starken Rumfahne an Deck kam, um nach dem Kompaß zu sehen und mit den Rudergängern zu sprechen, schien sich der Bann zu lösen. Wortlos ging Bolitho an allen vorbei und zog sich in seine Kajüte zurück.
    Gossett blickte ihm nach und rieb sich in plötzlich aufkommendem Unbehagen das kräftige Kinn. Dann sah er zu den gerefften Marssegeln hinauf und klopfte mit einem dicken Finger gegen das Stundenglas.
    Der neue Tag würde die Erinnerung an den Kampf vertreiben, dachte er. Es gab kaum etwas, das ein Wechsel von Wind und Wetter nicht ändern konnte.

Rückkehr der
Spartan
    Am Mittag des folgenden Tages stand das erschöpfte Geschwader einhundertundzwanzig Meilen östlich von Las Mercedes und segelte – außer Sichtweite der Küste – mit starker Schlagseite hart an einem

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