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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ein wenig und wartete, als die
Hyperion
in ein tiefes Wellental glitt und gleich darauf unbeeindruckt in eine weitere anrollende, schaumgekrönte Woge stieß. Dort war ein zweites Schiff und womöglich ein drittes.
    Mit einem Schnappen schob er das Glas zusammen. »Legen Sie das Schiff auf Steuerbordbug und machen Sie sich zum Segelreffen bereit, Mr. Stepkyne.«
    Stepkyne griff an seinen Hut. »Aye, aye, Sir.« Er sagte selten viel, es sei denn, er konnte einen ungeschickten oder unaufmerksamen Matrosen heruntermachen. Er schien nicht willens oder unfähig zu sein, ein vertrauliches oder beiläufiges Gespräch mit seinen Offizierskameraden zu führen, doch Bolitho wußte jetzt ebensowenig von ihm wie bei ihrer ersten Begegnung. Trotz allem war er ein sehr fähiger Seemann, und Bolitho war es nicht möglich gewesen, bei irgendeiner Arbeit, die er ausgeführt hatte, einen Mangel festzustellen.
    Selbst jetzt, als er mit lauter Stimme Befehle austeilte und mit in die Hüften gestemmten Händen beobachtete, wie die Leute wieder einmal angetrieben wurden, die Brassen und Fallen zu bemannen.
    Bolitho vertrieb Stepkynes kalte Tüchtigkeit und Inchs krampfhafte Bemühungen aus seinen Gedanken. Sobald das Wetter besser wurde, wenn auch nur für wenige Tage, würde Inch die Chance bekommen, die Leute zu drillen, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
    Er sagte knapp: »Kurs Ost zu Süd, Mr. Gossett.«
    Die Stimme des Ausgucks im Mast drang schwach über das Rauschen der Leinwand. »Drei Linienschiffe unter Vollzeug, Sir.« Es folgte eine Pause, während der jeder nicht Beschäftigte zu der winzigen Gestalt hinaufspähte, die sich vor den ziehenden Wolken abhob. »Das vorderste Schiff führt einen Kommodorestander, Sir.«
    Ein Schuh scharrte auf dem Deck, und Bolitho sah Inch auf sich zueilen, dem ein paar Zwiebackkrümel auf dem Rock hingen.
    Inch griff an seinen Hut. »Tut mir leid, daß ich so spät komme, Sir.« Er blickte sich besorgt nach allen Seiten um. »Ich muß einen Augenblick eingeschlafen sein.«
    Bolitho betrachtete ihn ernst. Wegen Inch mußte er etwas unternehmen, dachte er. Er sah völlig übermüdet aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
    Ruhig sagte er: »Rufen Sie alle Mann an Deck, Mr. Inch. Wir werden gleich das Geschwader erreichen und müssen vielleicht wenden oder beidrehen.« Er lächelte. »Ein Kommodore ist nicht anders als ein Admiral, wenn es um seemännisches Können geht.«
    Aber Inch nickte nur düster. »Aye, aye, Sir.«
    Langsam, aber unaufhaltsam tauchten die Schiffe aus dem wogenden Dunkel auf, bis sie in einer Reihe sichtbar waren. Die Rümpfe glänzten vor Nässe, die gerefften Marssegel schimmerten wie Stahl in dem böigen Wind. Sie waren alle Vierundsiebziger wie die
Hyperion,
und in den Augen einer Landratte mochten sie sich wie ein Ei dem anderen gleichen. Aber Bolitho wußte aus mühsam erworbener Erfahrung, daß selbst Schiffe, die nebeneinander auf derselben Werft von Stapel gelaufen waren, einander so unähnlich sein konnten wie Wasser und Wein, ganz wie es ihren jeweiligen Kommandanten in den Sinn kam.
    Gossett, der den führenden Zweidecker prüfend betrachtete, sagte nachdenklich: »Das Schiff des Kommodore kenne ich, Sir. Es ist die
Indomitable
unter Kapitän Winstanley. Anno 1881 habe ich neben ihr gekämpft.« Er blickte Midshipman Gascoigne streng an.
    »Sie hätten sie früher entdecken und melden müssen, junger Mann.«
    Mit zusammengekniffenen Augen studierte Bolitho das führende Schiff, während sich unter dessen Signalrahe weitere Flaggen entfalteten; anscheinend nur Sekunden später setzte die ganze Formation zu einer Wende an, bis die
Indomitable
beinahe parallel, mit kaum zwei Kabellängen Abstand, neben der
Hyperion
herlief. Selbst ohne Glas waren die breiten Streifen von verkrustetem Salz und abgelagertem Schlick an Vorschiff und Bug zu erkennen, als sich das Schiff gewichtig in ein flaches Wellental senkte, wobei die unteren Geschützpforten einen Augenblick überspült wurden. Hinter sich hörte Bolitho Gossett vor sich hin murmeln: »Käpt’n Winstanley hat die alte Dame gut im Griff, das muß man ihm lassen.« Aus seinem Mund war das ein Lob höchster Ordnung.
    Diesmal war Gascoigne auf der Hut. Als weitere Signale zur Rah der
Indomitable
aufstiegen und sich im Wind entfalteten, schrie er gleich: »Flaggschiff an
Hyperion:
Kommandant ohne Verzug an Bord melden.«
    Bolitho lächelte grimmig. Zweifellos wartete der Kommodore ungeduldig darauf, was sein alter

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