Feind in Sicht
Falmouth war er zu sehen, getragen von Kapitänen und Admiralen, die ebenso vergessen waren wie ihre Schiffe und Kämpfe. Beinahe hätte es auch einen Sohn gegeben, der ihn eines Tages hätte tragen können. Aber vielleicht war es besser so. Wenn diese Waffe mit Schande bedeckt wurde, war sie besser genauso vergessen wie er.
Er sagte: »Bringen Sie Kapitän Poulain und seine übrigen Offiziere auf die
Hyperion.«
Er machte eine Pause, als er die Betroffenheit auf Herricks Gesicht sah. »Und außerdem zehn von seinen Leuten.«
Herricks Stimme klang heiser: »Dann sind wir uns also einig?«
»Es scheint so.« Bolitho nickte langsam. »Hoffentlich werden Sie Ihre Zustimmung nicht bereuen müssen.«
Farquhar griff nach seinem Hut und betrachtete ihn nachdenklich.
»Zumindest wissen wir eines: Lequiller hat keine Fregatte mehr, seit wir die
Thetis
genommen haben. Was uns an Stärke fehlt, können wir durch größere Beweglichkeit gutmachen.« Ein schnelles Lächeln huschte über seine Lippen. »Poulain wird genauso neugierig sein wie ich, wenn er von seiner Vorladung erfährt. Mir scheint, daß er sich mehr Gedanken um seinen Sohn macht, der als Leutnant unter ihm diente, als über den Verlus t seines Schiffes. Lequiller hat in seinen Untergebenen große Siegeszuversicht geweckt.« Er stülpte den Hut auf und fügte hinzu: »Ich würde den Verlust meines Schiffes jedenfalls nicht so leichtnehmen.«
Fitzmaurice sah ihm nach und fragte dann: »Wann werden Sie zum Kommodore gehen?« Er hatte beinahe geflüstert, und Bolitho empfand Mitleid mit ihm. Fitzmaurice besaß nur seinen Rang und seine militärischen Verdienste. Die Gewißheit, daß er im Augenblick der Entscheidung nicht allein dastand, konnte ihn nur we nig trösten.
»Gleich. Aber jetzt – wenn Sie so lange hierbleiben wollen – möchte ich erst an Deck gehen. Ich muß mit Allday über eine Angelegenheit sprechen, die sich nicht aufschieben läßt.« Er hängte den Säbel wieder an seinen Haken und ging zur Tür.
Als sie sich hinter ihm schloß, stieß Lambe hervor: »Mein Gott, wie kann er so ruhig bleiben, wenn sein Kopf auf dem Spiel steht?« Herrick sagte: »Das habe ich mich schon oft gefragt.« Er dachte an Bolithos Augen und das Leid, das dahinter verborgen lag, als er ihnen seine Gedanken entwickelt hatte. »Die Antwort weiß ich immer noch nicht.«
Weniger als eine Stunde später, als die Glocke auf der Back gerade zwei Glasen anschlug, ging Bolitho langsam aufs Achterdeck und lehnte sich einen Augenblick an die Reling. Die Sonne warf scharfe Schatten der Rahen und Wanten aufs Deck. Auf der anderen Seite der Bucht sah er ein leichtes Kräuseln des Wassers, das sich ihnen näherte und eine frische Brise als Milderung der Nachmittagshitze versprach.
Im Schiff war es seltsam ruhig, aber er blieb sich der ihn beobachtenden Seeleute auf der Laufbrücke und oben in der Takelage bewußt, die dem kommenden Schauspiel gespannt entgegensahen.
Mitten auf dem Hauptdeck standen, umgeben vom scharlachroten Karree der Seesoldaten, die ausgewählten französischen Gefangenen. Ihre Gesichter drückten Neugier und Furcht aus, als sie auf die einsame Gestalt an der Querreling blickten.
Hauptmann Dawson kam über das Deck und faßte zur Ehrenbezeigung kurz an seinen Hut. Sein gerötetes Gesicht war finster und drückte gleichzeitig Besorgnis aus.
»Fertig, Sir.«
»Sehr gut.«
Bolitho hielt das Gesicht der aufkommenden Brise entgegen und holte tief Luft. Hinter sich hörte er schwere Schritte, und als er sich umdrehte, sah er Farquhar, begleitet von einem Seesoldaten, und zwischen ihnen den französischen Kommandanten. Er war schon alt für seinen Rang, machte aber den Eindruck, als ob er etwas könne und viel Selbstbeherrschung besitze. Vor allem schien er, wie Farquhar es beschrieben hatte, ein harter Mann zu sein.
»Sprechen Sie englisch, Kapitän?« Bolitho sah ihn an, seine Stimme war ruhig, aber er spürte Trockenheit in der Kehle angesichts der zahllosen stummen Zuschauer.
»Wie’s beliebt.« Kapitän Poulain beobachtete ihn ebenfalls aufmerksam. »Aber dem, was ich Ihrem jungen Offizier gesagt habe, ist nichts hinzuzufügen.«
Bolitho nickte. »Aha. Sie meinen den jungen Offizier, der Ihnen Ihr Schiff abnahm. Ja, ich verstehe.«
Poulains Augen warfen ärgerliche Blitze. »Ich werde nichts mehr sagen. Ich kenne meine Rechte und den Ehrenkodex, den Sie in Ihren angekränkelten Seelen so hoch halten.«
Bolitho sah, wie Dawson sich auf die Lippen
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