Feind in Sicht
noch herausbekommen?«
»Daß jeder Erfolg, den dieses Geschwader erzielt hat, auf Ihre Initiative zurückging.« Herrick stand auf, und sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich streng. »Ich bin mit Ihnen manches Mal im Gefecht gewesen und habe in Situationen, die schlimmer waren, als manche Leute es für möglich hielten, an Ihrer Seite gestanden. Sie wissen sehr gut, was mir unsere Freundschaft bedeutet und daß ich auf der Stelle für Sie in den Tod gehen würde, wenn ich überzeugt wäre, daß das helfen würde. Darum und in Anbetracht dessen, was wir gemeinsam erlebt und geleistet haben, glaube ich, das Recht zu besitzen…«
Er stockte, als Bolitho kühl fragte: »Was für ein Recht wäre das?«
»Das Recht, meine Meinung zu sagen, selbst auf die Gefahr hin, damit eine alte Freundschaft zu zerstören.«
Bolitho blickte weg. »Also?«
»In all den Jahren habe ich Sie nie so gesehen wie jetzt.« Er machte eine Geste zur Karaffe hin. »Immer waren Sie bereit, anderen zu helfen und sie zu verstehen, ohne Rücksicht auf Ihre eigenen Empfindungen. Der Verlust Ihrer Frau ist schrecklich. Sie bedeutete auch mir sehr viel, wie Sie sicher wissen. Und es gibt keinen Mann der sie kannte hier an Bord, der jetzt nicht Ihren Schmerz teilt.« Er setzte entschlossen hinzu: »Aber gemessen an dem, was Sie glauben und was Sie andere hinzunehmen gelehrt haben, ist dies eine Privatangelegenheit. Und als solche kann sie nicht, nein, darf sie nicht Ihr Handeln in einem Augenblick beeinflussen, da Sie von uns allen dringend gebraucht werden.«
Bolitho sah ihn kühl an. »Sind Sie fertig?«
»Noch nicht ganz. Sie haben mir oft gesagt, Verantwortung und Befehlsbefugnis seien Vorrechte, aber kein Recht, das sich jede rman nehmen kann. Als wir noch auf Fregatten Dienst taten und unser einziges Risiko der Verlust unseres eigenen Lebens war, lebten wir in einer anderen Welt. Hier aber könnten unsere Schiffe über größere Entwicklungen, die wir noch kaum verstehen, entscheiden.« Er schaute böse zur Tür des Schlafraums. »Und wenn wir ein Vorbild suchen, wen haben wir da? Einen Mann, der sich selber etwas vormacht und nur daran denkt, wie er seine Haut retten kann.« Er drehte sich um und sah Bolitho erneut mit gequältem, aber festem Blick an. »Darum schauen wir auf Sie. Auf den Kommandanten der
Hyperion
und einen Mann, der nie seinen Vorteil vor Ehre und Pflicht gestellt hat.« Er holte tief Luft. »Auf den Mann, den Cheney Seton sich zum Ehemann ausersehen hatte.«
Weit weg hörte Bolitho Pfeifen und das Geräusch längsseit kommender Boote. Die ganze Kajüte schien im Nebel zu schwimmen, und die Worte für eine beißende Entgegnung wollten sich nicht einstellen.
Als er neben dem Tisch stand, trat Herrick vor und ergriff seine Hände. »Glauben Sie mir, Richard, ich weiß, was Sie durchmachen.« Er sah ihm ins Gesicht. »Ich weiß es!«
Bolitho sah ihn ebenfalls an, und ein Schauder überlief ihn. »Vielen Dank, Thomas. Ich wüßte kaum etwas, das unsere Freundschaft jemals zerstören könnte. Und daß Sie Ihre Meinung gesagt haben, gehört nicht dazu, da bin ich sicher.«
Herrick nickte, löste aber nicht seinen Griff um Bolithos Hände.
Er sagte: »Ich bin lange genug Seeoffizier, um zu wissen, daß es in unserem Leben nicht die Pelham-Martins sind, die zählen. Sie und Männer wie Sie, welche Zeit gefunden haben, für andere zu denken und vorauszuplanen, werden schließlich entscheiden, was an unserer Sache recht oder unrecht ist. Und eines Tages, vielleicht noch zu unseren Lebzeiten, werden wir dank eines solchen Beispiels eine bessere Marine haben als heute. Eine Marine, in die einzutreten Männer als Berufung ansehen, nicht als verhaßten Zwang.« Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Tyrannen und einflußreiche Einfaltspinsel pflegen sich bei wirklicher Gefahr zu verziehen.«
Bolitho schluckte heftig. »Manchmal glaube ich, daß ich Ihnen ein schlechtes Beispiel gegeben habe, Thomas. Sie waren schon immer ein Idealist, aber jetzt, da Sie ein Schiff zu kommandieren haben, müssen Sie diese Ideale ein wenig zurückstecken und mit den Fortschritten, die Sie selber erreicht haben, zufrieden sein.« Dann lächelte er. »Nun wollen wir die anderen begrüßen.« Er schaute auf die Karaffe hinunter und setzte leise hinzu: »Sie enthielt auch nur wenig Trost.«
Aber später, als er mit den anderen um Pelham-Martins Koje herumstand, wußte er, daß ihnen Schlimmeres bevorstand, als er für möglich gehalten
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