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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Heldenverehrung eine treibende Kraft war, dann besaß Inch davon mehr als Lebenswillen.
    Plötzlich streckte er die Hand aus und rief: »He, der Mann da! Los, Sie können mehr, als Sie da bieten!«
    Der angerufene Matrose blickte schuldbewußt auf und wendete sich dann wieder seiner Arbeit zu. Er wußte nicht, was er falsch gemacht hatte, und verrichtete in jedem Fall seine Arbeit so gut, wie er es gelernt hatte. Er konnte auch unmöglich erraten, daß er für den Ersten Offizier nicht mehr als ein nebelhafter Schatten war, ein Fleck unter vielen, als Inch über das stampfende Schiff starrte und seine Zukunft noch einmal zum Leben erwachen sah.
    Gossett, der neben dem Rudergänger stand und auf seine Tafel schrieb, blickte zu Inch hinüber, dann zum Kommandanten, der, den Kopf in Gedanken gesenkt, die Hände auf dem Rücken, auf und ab ging, und nickte langsam, verständnisvoll. Der arme Inch, dachte er. Mancher Kommandant, den er kannte, hätte auf einen Offizier wie ihn niemals Rücksicht genommen. Aber Bolitho schien sich um jeden Gedanken zu machen. Wenn einer ihn enttäuschte, schien er darin ein persönliches Versagen zu sehen; aber wenn einer Erfolg hatte, schien er immer den Lohn mit ihm zu teilen. Der alte Steuermann lächelte insgeheim. Gerecht, das war das treffende Wort. Es paßte sehr gut auf Bolitho:
Dick der Gerechte.
Ein breites Grinsen zog über sein Gesicht.
    Bolitho hielt im Hin- und Hermarschieren unvermittelt inne und sagte scharf: »Mr. Gossett, an Bord dieses Schiffes befinden sich sechs Midshipmen, deren Unterricht in Navigation nach meiner Berechnung vor fünfzehn Minuten beginnen sollte.«
    Gossett griff an seinen abgenützten alten Hut, konnte sein Grinsen aber nicht unterdrücken. »Aye, Aye, Sir. Ich werde sofort damit beginnen.« Bolitho blickte ihm finster nach. Es behagte ihm nicht, wenn Gossett anfing, am hellen Tag zu träumen. Er nahm seinen Spaziergang wieder auf und kehrte zu seinen Gedanken zurück. Ohne Zweifel würden sie alle genügend Zeit haben, unter Pelham Martins Stander bei hellem Tag zu träumen.

Täuschungsmanöver
    Als aus Tagen Wochen wurden, schien es Bolitho, als kenne die erbarmungslose Grausamkeit von Wind und Meer keine Grenzen und die ganze Welt sei zu der bedrückenden Enge des Schiffsrumpfs und dem von Wellen überspülten Oberdeck geschrumpft. Auch in den Befehlen des Kommodore schien es keine Abweichungen zu geben. Tag für Tag kreuzten die Schiffe bei jedem nur vorstellbaren Wetter, das die Biskaya zu bieten hatte. Böiger Wind frischte innerhalb von Minuten zu voller Sturmstärke auf, und für die Matrosen, die sich wieder und wieder in die Takelage hinaufquälen mußten, um gegen die eisige, froststarre Leinwand anzukämpfen, wurde das Ausharren auf Station zu einem einzigen Alptraum. Mit gerefften Segeln mußten die drei Schiffe tagelange Stürme überstehen; sobald wieder bessere Sicht herrschte, wurden sie von der
Indomitable
mit einer Flut dringender Signale überschüttet, die befohlene Formation wiederherzustellen.
    An Bord der
Hyperion
gab es zwar keine Seekrankheit mehr, aber wenn die Seeleute für eine kurze Ruhepause unter Deck entlassen wurden, sanken sie wie Tote in ihre engen Hängematten, dankbar für die Wärme der anderen Körper, die um sie herum schwankten, wenn das Schiff bei heulendem Wind weiter durch die starke Küstenströmung stampfte.
    Doch kaum eine Stunde schien zu vergehen, bis die Pfeifen wieder schrillten und von Luke zu Luke der Ruf erschallte: »Alle Mann! Alle Mann an Deck! Aufentern zum Marssegelreffen!«
    Damit die Besatzung nicht völlig verzweifelte, nutzte Bolitho jede Gelegenheit, um sie zu beschäftigen. So oft es möglich war, setzte er Geschützexerzieren an und ließ die Steuerbordbatterie mit der auf Backbord konkurrieren. Die Bedienungen der unteren Geschütze mußten sich mit denen auf dem Hauptdeck abwechseln, da das schlechte Wetter es nicht erlaubte, die unteren Stückpforten zu öffnen. Bei seinen wöchentlichen Inspektionen bedrückten Bolitho die elenden Bedingungen auf dem unteren Batteriedeck, wo die Leute neben und zwischen den dreißig Vierundzwanzigpfündern leben mußten, die sie im Gefecht bedienten. Bei festverschlossenen Pforten und starkem Seegang bot sich ein Anblick wie aus Dantes Inferno. Etwa dreihundert Leute lebten, aßen und schliefen dort, und selbst wenn eine Wache an Deck war, stank die Luft ekelerregend. Der faulige Bilgendunst, vermischt mit menschlicher Ausdünstung und dem Mief

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