Feind in Sicht
gewann, desto dichter schien der Nebel zu werden, bis die
Hyperion
schließlich hilflos seitwärts abzutreiben schien, ein Eindruck, der noch durch die Geschwindigkeit, mit der der Nebel durch die Wanten und um sie herum strich, verstärkt wurde.
Plötzlich sagte Bolitho: »Entern Sie auf, Mr. Gascoigne. Sie haben scharfe Augen.«
Der Midshipman kletterte behende in die Webeleinen, und Inch sagte: »Wir könnten die Fregatte verfehlen, Sir.«
Bolitho sah das Großbramsegel in einer Fallbö killen und entdeckte in diesen Sekunden einen schwachen blauen Fleck: Über dem Nebel klarte der Himmel bereits auf, leuchtete hell und kalt, und das war gut so.
Blöcke und Taljen klapperten nervös, und Gossett bemerkte: »Der Wind frischt auf, Sir.«
Es war nur wenig, genügte aber. Mit einem Mal riß der Nebel auf und verflüchtigte sich zu einem tiefliegenden Dunst; als Gascoignes schriller Ruf noch nach unten drang, erkannte Bolitho schon die Umrisse des anderen Schiffes.
»Fregatte Steuerbord voraus!« schrie Gascoigne aufgeregt. »Vor Anker, Sir.«
Inch wandte den Blick von dem anderen Schiff ab und starrte Bolitho an, als ob er es nicht glauben könne.
Bolitho beobachtete die Fregatte unbewegt, deren Umrisse immer klarer wurden, während der Nebel an ihr vorbei auf die offene See hinaustrieb. Dort lag die Landzunge, blaugrau im Dämmerlicht, und obwohl es noch nicht möglich war, den anderen Landarm der Flußmündung auszumachen, wußte er, daß er richtig gerechnet hatte, und empfand beinahe Mitleid mit dem Mann an Bord der Fregatte, der jetzt als erster die näherkommende
Hyperion
sehen mußte. Sie mußte auf ihn wie ein Bote der Hölle wirken, als sie sich vor seinen Fluchtweg schob, mit leicht killenden Bram- und Marssegeln, ihre Großsegel zum Gefecht aufgegeit, mit dieser goldschimmernden, starr blickenden Galionsfigur, die den Dreizack hob, als ob sie das Schiff geradewegs auf sein Opfer lenken wolle.
Über den Streifen Wasser hörte Bolitho plötzlich das Schmettern einer Trompete. Noch eine Meile trennte die Fregatte von dem Zweidecker, doch selbst wenn sie ihr Ankerkabel kappte, brauchte es Zeit, um die Besatzung auf Gefechtsstationen zu treiben und genug Segel zu setzen, um zu entkommen. Oben hörte Bolitho die Marssegel sich mit einem gedämpften Donnern füllen, als sein Schiff aus dem Windschutz der Landzunge glitt. Die Fregatte hatte keine Zeit mehr.
Er packte die Reling und rief: »Alles herhören!« Die Leute an Geschützen und Brassen rissen die Blicke von der Fregatte los und starrten wie ein Mann nach achtern. »Das da drüben ist ein französisches Schiff, und ich beabsichtige, es anzugreifen.« Einer rief Hurra, verstummte aber unter dem strengen Blick des Kommandanten. »Wenn wir es als Prise nehmen können, schön. Aber wenn nicht, dann werden wir es vernichten.« Er ließ seine Worte wirken und fügte hinzu: »Doch lassen Sie sich durch ihren Anblick nicht täuschen. Sie kann sich als tapferer Gegner erweisen, und ich habe schon ebensoviele aus Selbstüberschätzung fallen sehen wie durch die Treffsicherheit des Feindes.« Dann lächelte er trotz des eisenharten Drucks in seiner Magengegend. »Tut euer Bestes, Jungs. Für das Schiff und für England.«
Er wendete sich wieder den Netzen zu, als Hurrarufe erklangen, die von den Männern im unteren Deck aufgenommen wurden, bis aus dem ganzen Schiff erregtes Schreien und Jubeln aufstieg.
Bolitho sagte ruhig: »Lassen Sie die Leute lärmen, Mr. Inch. Vielleicht geht es den Froschfressern auf die Nerven.«
Näher und näher kamen sie, und die ganze Zeit über beobachtete Bolitho das Durcheinander an Bord der jäh aufgeschreckten Fregatte. Zuerst erschien das flatternde Klüversegel und dann das Vormarssegel, ehe ein Ausguck herunterrief: »Sie hißt die Flagge!«
Bolitho sah die Trikolore sich an der Gaffel entfalten. Diesmal also die rechtmäßige Flagge. Jedenfalls war jetzt offenkundig, daß sie sich nicht kampflos ergeben würden.
»Geschütze ausrennen, Mr. Inch!«
Eine Pfeife schrillte, und als sich die Geschützpforten öffneten, schossen die Rohre um die Wette aus der Bordwand, bis die
Hyperion
dem französischen Schiff wie eine Doppelreihe schwarzer Zähne ihre volle Breitseite zeigte.
Stepkyne stand mit gezogenem Degen am Fuß des Fockmasts, den Blick zum Achterdeck gerichtet.
Noch weiter vorn wartete Leutnant Hicks von den Marinesoldaten neben den beiden gedrungenen Karronaden, während das Gros der Rotröcke ihr sauberes
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