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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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gelegentlich klirrte Stahl oder klapperte ein Ausrüstungsstück, wenn sie in dem befohlenen, engen Karree auf dem Achterdeck gegeneinanderstießen. Im Nebel wirkten ihre Uniformen schwarz, während die weißen, gekreuzten Brustriemen überraschend deutlich zu erkennen waren.
    Inch erschien keuchend und schwitzend. »Schiff klar zum Gefecht, Sir.«
    Bolitho grunzte. Wie würde er sich blamieren, wenn die See bei Tagesanbruch leer vor ihnen lag! Jedes Vertrauen, daß er bei der kaum ausgebildeten Mannschaft hatte gewinnen können, war wieder verloren, wenn es sich herumsprach, daß der Kommandant sich vor seinem eigenen Schatten gefürchtet hatte.
    Bei jeder anderen Gelegenheit hätte er gewartet. Erfahrene Leute konnten laden und ausrennen, wieder laden und weiter feuern, wenn alles um sie herum in einem Inferno ohrenbetäubender Explosionen und schreiender Menschen unterging; wenn es sein mußte, schafften sie das auch bei völliger Dunkelheit. Jetzt dachte er an diese Leute, die, hinter geschlossene Stückpforten geduckt, mit gespitzten Ohren auf jedes Geräusch lauschten, mit klopfenden Herzen und dankbar für die Dunkelheit, die ihre Furcht vor den Kameraden verbarg. Bei ihnen wäre das Risiko zu groß gewesen. Da er sich nun einmal hatte entscheiden müssen, war es ihm lieber, daß seine Leute hinter seinem Rücken über ihn lachten, als daß sie seiner Eitelkeit wegen starben.
    »Sehr gut, Mr. Inch. Sie können Befehl zum Laden geben.«
    Als Inch heftig einem Midshipman winkte, erinnerte Bolitho sich der anderen Gelegenheiten, bei denen er ins Gefecht gesegelt war. Jedes Geschütz mit doppelter Ladung und zusätzlich mit Schrapnell geladen, um damit die erste verheerende Salve voll zur Wirkung zu bringen. Jetzt, mit nur halb ausgebildeten Leuten, die sich in der Finsternis des Zwischendecks zurechttasteten, konnte das eine Katastrophe herausfordern. Solche Methoden anzuwenden, verlangte Erfahrung. Eine falsche Ladung, und eine Kanone konnte explodieren und wenigstens ihre Bedienung töten.
    Der Wind ließ ein wenig nach; in der plötzlich eintretenden Stille hörte er hastige Schritte auf den mit Sand bestreuten Decks: die Pulveräffchen, die von Geschütz zu Geschütz rannten und die Ladung verteilten, die sie gerade vom Magazin empfangen hatten, wo Johns, der Stückmeister, in funkensicheren Filzpantoffeln an dem einzigen Ort stand, von dem es kein Entkommen gab, wenn das Schiff im Gefecht in Brand geriet. Gott sei Dank war er ein erfahrener Veteran, der sich nicht blind auf das Können jener verlassen würde, die er mit Pulver aus seinem Magazin versorgte.
    Gossett rief: »Nach meiner Berechnung liegt die Landzunge jetzt drei Meilen querab, Sir.« Er hustete. »Selbstverständlich ist es bei der Strömung und dem Nebel schwer, Genaueres zu sagen.«
    »Alle Geschütze feuerbereit, Sir.«
    Bolitho hielt seine Uhr in das Licht der Kompaßlaterne. Jetzt mußte es bald hell werden. Er sah sich schnell nach allen Richtungen um. Lichtete sich das Dunkel tatsächlich schon, oder hatten sich seine Augen so sehr an die Finsternis gewöhnt, daß er die Neunpfünder in Lee schwarz und scharf umrissen vor dem Schanzkleid wahrnahm?
    Gern hätte er noch einmal einen Blick auf die Karte geworfen, aber dazu blieb keine Zeit mehr. Er versuchte, sich genau zu erinnern, was er vor Augen gehabt hatte: die Landzunge und das geschützte Wasser dahinter, die unterschiedlichen Wassertiefen, der Verlauf des Fahrwassers und die Stärke der Strömung, in der jede unvorsichtige Annäherung zu einer Katastrophe führen konnte.
    »Etwa mehr Steuerbord!« Er stand neben Inch an der Achterdecksreling, das Teleskop nach Luv gerichtet, während sich das Ruder knarrend drehte.
    »Recht so!« Er konnte Inchs lautes Atmen hören und nahm einen der Achterdeckskanoniere wahr, der neben einem Neunpfünder kniete. Der Mann war trotz der eisigen Luft bis zu den Hüften nackt und hatte sein Entermesser achtlos hinten in den Gürtel geschoben, wo der Griff sich nun dunkel von dem bloßen Rücken abhob. Die Länge seines Zopfes verriet Bolitho, daß er kein Neuling war, und er hoffte, daß außer dem befehligenden Deckoffizier noch ein paar seinesgleichen für Ruhe und Ordnung sorgen würden, wenn es zum Gefecht kam.
    Auf dem Hauptdeck ließ jemand eine Spake fallen, und als Bolitho wütend nach vorn blickte, stellte er überrascht fest, daß er Vorschiff und Klüverbaum erkennen konnte. Doch je mehr das Schiff in der weichenden Dunkelheit an Gestalt

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