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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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daß jeder Rudergast sein bestes kariertes Hemd angezogen hatte und daß Allday einen blauen Rock mit Messingknöpfen trug, den er noch nicht an ihm gesehen hatte.
    Allday hielt die Augen auf die Fregatte gerichtet und sagte mit gedämpfter Stimme: »Nur um es ihnen zu zeigen, Captain. Sie sollen alle wissen, was wir empfinden.«
    Bolitho packte den Griff seines Säbels und starrte über die Köpfe der Matrosen hinweg. Er konnte keine Worte finden, wagte nicht, auf Alldays schlichte Demonstration seiner Loyalität zu antworten.
    Der Buggast machte an der Kette fest, und ohne zu warten, bis Allday aufgestanden war, zog Bolitho sich zum Deck der Fregatte hinauf und hob grüßend den Hut zum Achterdeck.
    Einen Augenblick blickte er zu dem Schiff hinüber, das er gerade verlassen hatte. Dann reckte er die Schultern und nickte dem jungen Kommandanten der Fregatte flüchtig zu. »Gehen Sie bitte voran.«
    Die Achterkajüte der Fregatte war niedrig und spartanisch im Vergleich zu der eines Linienschiffes, aber Bolitho fühlte sich augenblicklich zu Hause. Als er das erste Mal das Kommando einer Fregatte übernahm, fand er das Quartier, verglichen mit einer kleinen Schaluppe, fürstlich, doch als er jetzt unter den niedrigen Decksbalken den Kopf einzog, wurde ihm die Enge wieder bewußt, die durch die drei Anwesenden noch spürbarer wurde.
    Vizeadmiral Sir Manley Cavendish war dünn und grauhaarig, und obwohl seine Haut sonnengebräunt und wettergegerbt war, wirkten seine Wangen eingefallen; unter dem prunkvollen Galarock schien sein At em schnell und flach zu gehen. Bolitho wußte, daß er über sechzig war; die Tatsache, daß Sir Manley in den vergangenen zwei Jahren nur für wenige Stunden den Fuß auf festes Land gesetzt hatte, konnte kaum zur Stärkung seiner offenbar angeschlagenen Gesundheit beigetragen haben. Aber seine Stimme ließ keine Schwäche erkennen, und die eng über einer herrischen Nase stehenden Augen waren so klar und forschend wie die eines Leutnants.
    »Zumindest pünktlich, Bolitho.« Er ließ sich mühsam in einen Sessel sinken. »Es ist besser, Sie setzen sich alle. Es kann eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, obwohl ich es nicht gewöhnt bin, mich zu wiederholen.«
    Bolitho nahm einen Sessel und war sich ständig der Anwesenheit von Pelham-Martins massiger Erscheinung bewußt, der an der gegenüberliegenden Wand saß. Er hielt die rosigen Hände vor seiner Weste gefaltet, als ob er sich in Gegenwart seines Feindes selbst festhalten wolle.
    Der dritte Anwesende war ein Flaggleutnant, ein ausdrucksloser junger Mann, der starr in das aufgeschlagen vor ihm liegende Logbuch sah, die Feder wie einen kampfbereiten Degen über einer leeren Seite erhoben.
    Cavendish sagte: »Ich habe die Berichte gelesen und erwogen, was getan werden kann, was getan werden muß.«
    Bolitho sah auf die Feder. Sie verharrte regungslos.
    »Ich habe mit Ihrem Kommodore gesprochen und alles gehört, was geschehen ist, sowohl vor als auch nach dem Verlust der
Ithuriel
.« Er lehnte sich zurück und sah Bolitho mit steinernem Blick an. »Alles in allem ist es ebenso beklagenswert wie bedrohlich, doch ehe ich mich endgültig entscheide, will ich hören, ob Sie noch irgend etwas zu Ihrer, äh, Einschätzung der Lage hinzuzufügen haben.«
    Bolitho wußte, daß Pelham-Martin ihn scharf fixierte, aber er sah unverwandt Cavendish an. »Nichts, Sir.«
    Der Flaggleutnant blickte zum erstenmal auf. Cavendish fragte ruhig: »Keine Entschuldigungen? Keine Schuld, die bei anderen zu suchen wäre?«
    Bolitho unterdrückte den aufwallenden Ärger. »Ich habe gehandelt, wie ich es für richtig hielt, Sir. Ich trug die Verantwortung, und ich entschied mich für…« Er hob das Kinn. »Für das, was ich für das einzig Mögliche hielt.«
    Die Feder kratzte eifrig über das Papier.
    Der Admiral nickte bedächtig. »Wenn Sie geblieben wären und den Kampf aufgenommen hätten, hätten Sie Ihr Schiff und vielleicht sechshundert Menschenleben geopfert. Sie sagen, Sie wären dazu bereit gewesen?« Er verschränkte die Finger und beobachtete Bolitho ein paar Sekunden. »Sie waren aber nicht bereit, das Leben anderer aufs Spiel zu setzen, die für uns bereits verloren waren, sei es nun durch Versagen oder Nachlässigkeit?«
    Bolitho erwiderte: »Dazu war ich nicht bereit, Sir.« Er hörte das geschäftige Kratzen der Feder und spürte, wie sich sein Körper zum erstenmal entspannte. Er belastete sich selbst, konnte aber nichts dagegen tun. Nicht, wenn

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