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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Westen war ein Thema. Guardaja schien für die
Reiche der Menschen gesichert, die Stadt Corella war befreit, auch einige
Silberminen weiter nördlich waren an die Milirier gefallen, die nun anscheinend
ihre Stellungen befestigten, während die Ondrier massive Aufgebote zusammenzogen.
Für den Moment stand es dort also besser für die Sache der freien Reiche, als
man vor zwei Monaten noch zu hoffen gewagt hatte. Aber das war nicht Helions
Auftrag. Sein Kampf wurde hier geschlagen.
    Er erreichte die Quelle, schöpfte eine Handvoll Wasser und
schlenderte zu einem der verdrehten Bäume, unter deren Ästen er wartete. Die
Nacht brach an, die meisten Fackeln waren schon aufgestellt, einige weitere
kamen hinzu.
    Nahe am Palast riefen sich die Kämpfer gegenseitig etwas zu, liefen
weiter, redeten mit ihren Kameraden, die ihrerseits die Kunde weitergaben. So
breitete sich schnell Unruhe an den Feuern aus.
    Helion überlegte, ob er sich zu den Söldnern begeben und den Grund
dafür herausfinden sollte, als er Deria sah. Entgegen ihrer Abmachung näherte
sie sich nicht unauffällig, sondern stieß sogar einen Mann aus dem Weg, als sie
heranhastete. Mühsam beherrscht drückte sie Helion bis an den Baumstamm, bevor
sie ihm ins Ohr zischte: »Ich habe Limoras gesehen!«
    »Bist du sicher?«, fragte Helion überrascht.
    Sie zog den Bogen aus seinem Futteral, stieg über sein Holz, klemmte
ein Ende an ihrem Fuß ein. Die Geschwindigkeit, mit der sie die Bewegung
ausführte, zeugte von ihrer Vertrautheit mit der Jagdwaffe. »Kein Zweifel.« Sie
nestelte die aufgerollte Sehne aus ihrem Gewand und befestigte eine Schlaufe in
der Kerbe an dem Ende des Bogenholzes, das an ihrem Fuß anlag.
    »Er wollte doch mit dem Mondsilberschwert zurückbleiben.«
    »Eben daran habe ich ihn erkannt. Er trägt es nicht offen, aber ich
habe die Scheide und den umwickelten Griff oft genug gesehen, um mich nicht
täuschen zu lassen.«
    »Das ergibt keinen Sinn! Wenn ein anderer Fayé ihm das Schwert
abgenommen hat …«
    »Es war kein anderer Fayé!« Sie klang wütend, musste sich aber
unterbrechen, um den Bogen zu spannen und die Sehne am anderen Ende
einzuhängen. »Er trägt sein Blättergewand so, dass es den Kopf verhüllt und
sein Gesicht im Schatten liegt, aber als ich nah genug war, habe ich ihn
erkannt.«
    »Hat er dich auch gesehen?«
    »Dann würde ich nicht vor Euch stehen. Er hat nichts Gutes im Sinn.
Als sich zwei andere Fayé näherten, zog er sich in den Wald zurück.«
    »Was treibt er hier?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt!«, zischte sie. »Er war auf dem Weg zum
Palast, so viel ist klar!«
    »Aber wenn er Lisanne töten wollte …«
    »… dann hätte er nicht auf unsere Verstärkung verzichtet! Oder
haltet Ihr ihn mit einem Mal für so edel, dass er unser Leben durch
Unwissenheit schützen wollte?«
    Der Gedanke war dermaßen abwegig, dass Helion lachte.
    »Was immer er vorhat, er glaubt, dass wir es verhindern würden, wenn
wir davon wüssten.«
    »Und damit hat er sicher recht«, meinte Helion grimmig.
    Deria schnappte nach Luft. Sie wandte sich dem Palast zu, ließ den
Bogen los, fiel auf die Knie und drückte die Stirn in den Schlamm.
    Sie war nicht die Einzige. Im Gegenteil, verwundert stellte Helion
fest, dass alle, gleich ob Mensch oder Fayé, in ähnlicher Weise ihre Verehrung
ausdrückten. Nur auf der Empore des Palasts, im Licht einiger Feuerbecken,
entdeckte er aufrecht stehende Gestalten. Zwei Fayé, die uralten Adel
ausstrahlten, vermutlich also der König und die Königin, auch wenn Helion
Schwierigkeiten hatte, bei den Angehörigen des androgynen Volkes das Geschlecht
zu erkennen. Sein Blick wurde zudem von der Frau angezogen, die zwischen ihnen
stand. Groß, schlank, bleich, unnatürlich schön, in einem makellos schwarzen
Kleid, das Haar von einem dunklen Reif aus der Stirn gehalten, die Arme leicht
vom Körper abgespreizt. »Lisanne«, flüsterte Helion.
    Selbst die königlichen Fayé neigten das Haupt. Auch sie schienen
empfänglich für das dunkle Charisma der Schattenherzogin. Helion verspürte
allerdings nur ein schwaches Drängen in der Brust, dessen er leicht Herr wurde.
Seine Faszination wurde nicht von Lisannes finsterer Kraft erzwungen, sie kam aus
ihm selbst, geboren aus dem einzigen Wunsch, der ihn noch beseelte: ihr den
Kopf abzuschlagen. Aber er hatte sein Silberschwert nicht bei sich, und sie
stand oben auf dem Balkon, dreißig Schritt entfernt. Also ließ er sich auf die
Knie nieder, um nicht

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