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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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»Die meisten freiwillig.« Er legte
eine Hand auf die Schulter der sitzenden Frau. »So wie auch sie ihre Jahre
gab.«
    »Deria«, erkannte Helion. Dies war keine ältere Schwester, es war
Deria selbst. Sie wirkte jetzt wie Mitte dreißig.
    »Ihre Kraft hat Euch durch die erste Krise geholfen. Aber lange hat
das nicht gereicht. Wir haben nach Winena geschickt, doch die Zeit bis zu ihrem
Eintreffen musstet Ihr überstehen.«
    »Wie lange war ich … fort?«
    »Etwa einen Monat. Wir sind noch immer im Nachtschattenwald, aber im
Süden. Einigermaßen sicher. Die Fayé sind mit den Ondriern beschäftigt.«
    »Sind sie sich endlich an die Gurgel gegangen?«
    Deria schüttelte den Kopf, wobei sie den Blick auf Helions Augen
fixiert hielt. »Im Gegenteil. Nach dem, was unsere Späher berichten, handeln
sie ein Bündnis aus. Deswegen haben sich die Fayé auch gegen uns gestellt.
Lisanne ist König Ilions Gast, und wie es aussieht, sind die Reiche der
Unsterblichen gewillt, einen Pakt zu besiegeln.«
    »Was?«, rief Helion. Plötzlich fühlte er sich wieder lebendiger.
Seine Augen suchten das Mondsilberschwert und fanden es neben der ordentlich
aufgestellten Rüstung an der Wand lehnen.
    Limoras lachte. »Lisanne scheint Eindruck auf sie zu machen.«
    Der Name der verhassten Feindin ließ Helion die Fäuste ballen. »Ja.
Ihr Charisma ist nicht zu leugnen.«
    »Er ist von seinem Ziel erfüllt«, stellte Limoras fest. »Er ist ganz
Hass.«
    Bedächtig schüttelte Winena den Kopf. Sie sah noch immer besorgt
aus. »Nicht ganz. Da ist noch etwas, das wir ihm nicht genommen haben.«
    Ajina! Winena musste von seinen
Erinnerungen an Ajina sprechen. Helions Brust fühlte sich an, als würde sie von
einem Riesen zusammengedrückt.
    »Was immer es ist«, Winenas Stimme bekam etwas Beschwörendes, »es
ist gefährlich. Es ist die Stelle, an der seine Rüstung brüchig ist.«
    »Ich würde es vorziehen, wenn Ihr mit mir und nicht über mich
sprechen würdet. Limoras, Ihr sagtet, die meisten hätten
freiwillig ihr Leben für mich gegeben. Also nicht alle?«
    »Schweigt davon!«, forderte Winena.
    »Warum? Er soll es wissen. Was sagst du, Deria? Du wolltest es
doch.«
    Deria zögerte, aber dann nickte sie.
    Helion glaubte einen vergnügten Zug um Limoras’ Mund zu erkennen.
»Manche haben es nicht eingesehen. Aber sie waren noch weiter auf dem Weg ins
Nebelland als Ihr. Na ja, vielleicht. Ich habe ihnen nur ein paar Stunden genommen.
Höchstens einige Tage.«
    Helions Erfahrung sagte ihm, dass er über die Nachricht, dass andere
Menschen umgebracht worden waren, um ihn zu retten, bestürzt hätte sein sollen.
Aber er war es nicht. Er nahm die Kunde mit dem gleichen Interesse auf, als
hätte ein Bauer ihm von dem Feld berichtet, das er letzte Woche abgeerntet
hatte.
    »Seht in seine Augen!«, flüsterte Winena. »Wir sind zu weit
gegangen.«
    »Sind wir das?« In Derias Stimme lag eine überraschende Kälte.
Wahrscheinlich hatte sie zu viel gegeben, um jetzt noch Reue zu empfinden. In
ihren Augen loderte ein Feuer, das von mühsam zurückgehaltenem Wahnsinn
kündete. »Könnt Ihr Lisanne noch spüren, Helion?«
    Er horchte in sich hinein. »Nein. Da ist nichts. Keine Verbindung
mehr.«
    »Das hatten wir befürchtet«, sagte Winena. »Ihr wart kaum mehr Teil
der Welt der Lebenden.«
    »Das ist unwichtig«, bestimmte Limoras. »Sie ist am Hof von Amdra,
geehrter Gast des Königspaares der Fayé.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Unser Späher hat es uns in der vergangenen Nacht berichtet. Nicht
unbedingt aus freien Stücken, aber immerhin bin ich sicher, dass er nicht
gelogen hat.«
    »Kann ich ihn sehen?«
    »Natürlich.« Limoras grinste, und diesmal war Helion sicher, dass es
spöttisch war.
    Helion kleidete sich an und gürtete sein Schwert. Gehe nirgendwohin ohne dein Schwert. Zehn Schritt sind acht zu
viel. Er erinnerte sich an die Worte, aber ihr Leuchten war erloschen.
    Sie verließen das Baumhaus und gingen zu einer Hütte, einem der
wenigen Gebäude, die aus Steinen errichtet waren. »Das Licht der Monde ist
stark«, erklärte Deria auf dem Weg. »Stygron steht nachts beinahe voll am
Himmel.«
    »Wo ich herkomme, deutet man das als Zeichen für Blutvergießen.«
    Limoras lachte. »Dafür haben wir den roten Mond nicht gebraucht! Von
den knapp dreihundert Mann, die Ihr in die Schlacht geführt habt, sind keine
vierzig zurückgekommen.«
    Wieder suchte Helion in sich nach einem Gefühl, das diese Eröffnung
hätte auslösen sollen.

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