Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
Scham wegen der Niederlage, Betroffenheit über die Zahl
der Opfer, Zorn auf den Gegner. Aber da war nichts.
    Der Späher trug einen dunkelroten Überwurf. Der Schmutz zeigte, dass
er damit in der Wildnis unterwegs gewesen und nicht auf den Gedanken verfallen
war, den Stoff zu säubern. Die beiden Fenster der Hütte waren kleiner als eine
Elle im Quadrat und auf Kopfhöhe in die Mauer gebrochen. Er stand an einem
davon, hatte die Hände auf den Rahmen gelegt und starrte gegen die
undurchsichtige, wenn auch lichtdurchlässige Tierhaut, die den Wind aussperrte.
Als Helion eintrat, drehte er ihm das Gesicht zu. Speichel glänzte in den
Haaren an seinem unrasierten Kinn.
    »Ich bin Silberträger Helion. Wie heißt du?«
    Der Mann gluckste. Er sah Helion an, als fürchte er eine Rüge. Als
diese ausblieb, begann er zu kichern, was sich zu einem irren Lachen steigerte.
    Limoras kam hinter Helion herein. »Die Schattenherren waren nicht
sehr freundlich zu ihm. Ich konnte es auch nicht sein, als ich ihn befragte.«
    »Es würde mich überraschen, wenn Euch das Kummer bereitet hätte.«
    »Wir haben erfahren, was wir wissen wollten.«
    Unvermittelt brach der Späher in Tränen aus. Er heulte wie ein
einsamer Wolf.
    Helion wandte sich ab und verließ die Hütte. »Wie ist er so weit
gekommen? Bis an den Königshof?«
    »Die Fayé sind im Krieg mit den Eskadiern. Sie heuern viele
menschliche Söldner an. Ihr seht Euch alle so ähnlich, finde ich, aber so
dürfte es Euch mit uns auch ergehen. Zudem hat er sich als Arriek verkleidet.
Mit einem Tuch vor dem Gesicht. Das hat ausgereicht.«
    »Offenbar nicht. Sonst hätten die Fayé ihn nicht so zugerichtet.«
    »Das haben sie nicht. Es waren Osadroi, die ihren Spaß mit ihm
hatten.«
    »Sind noch andere dort außer Lisanne?«
    »Zwei Schattenbarone. Und er ist nicht aufgeflogen, sie haben nur
ihre Scherze mit ihm getrieben. Etwas raue Scherze, würdet Ihr wohl sagen.«
    Helion zuckte mit den Schultern. Er fühlte nichts mehr, aber er
hatte noch einen Wunsch. Er wollte etwas, von dem er wusste, dass er nur zu
diesem einen Zweck geboren worden war. Er wollte Lisanne töten. »Es war ein
Fehler, mit einer Streitmacht zu kommen. Mit einer lärmenden Truppe kann man
kein Wild fangen, es wittert zu früh und entzieht sich. Man muss allein gehen.
Ich sehe nicht, was mich hindern sollte, ebenfalls die Kleidung eines Arriek
anzulegen.«
    Damit betrat er wieder das Baumhaus, wo Winena gewartet hatte.
    »Bildet Euch nicht ein, Ihr könntet ohne mich gehen«, sagte Deria.
    Er sah sie an. Das gealterte Gesicht war ungewohnt, aber in den
Augen lag die Entschlossenheit der Mutter, die ihre Tochter rächen würde. Sie
würde gehen, mit oder ohne Helion. Wenn sie in Gefangenschaft geriete, könnte
sie alles ausplaudern. Kurz erwog er, sie hier und jetzt zu töten, um ihr
Schweigen zu sichern. Es erschien ihm jedoch nicht richtig.
    »Du kannst mit uns kommen, vorausgesetzt du befolgst meine Befehle.«
    »Wieso uns?«, fragte Limoras.
    »Ich hoffe, Ihr begleitet mich. Ihr kennt den Nachtschattenwald und
die Fayé.«
    Limoras grinste. »Da habt Ihr natürlich recht, und jetzt, da Ihr so
freundlich fragt, bringe ich es nicht über das Herz, Eure Bitte auszuschlagen.«
    »Was sagst du, Deria? Wirst du dich meinen Befehlen beugen?«
    »Ihr müsst mir versprechen, dass ich dabei helfen kann, jene zu
zerstören, die mir Rina nahmen.«
    Er nickte stumm.
    Sie erwiderte die Geste. »Ich hole meinen Bogen.«
    »Also gut. Dann sind wir zu dritt.«
    »Wir hoffen darauf, Taten zu vollbringen, die zu groß sind, als dass
Menschen danach streben dürften«, meinte Winena, aber ihre Stimme war schwach.
Sie musste etwas in Helion sehen, das sie tief berührte. Vielleicht fand sie
die Art, wie sie die heilenden Kräfte der Mondmutter verwendet hatte,
blasphemisch. »Wir sind schon zu weit gegangen.«
    »Im Gegenteil«, widersprach Helion. »Wir sind noch nicht weit genug
gegangen.« Er zog sein Schwert. Das Schimmern der Mondsilberklinge versprach
ihm den Kampf, den er suchte.

    Die Soldzahlung war eine gute Gelegenheit für Helion und Deria,
zum Königspalast der Fayé zu kommen, vor dem die Schreiber die Truhen mit dem
Gold aufgestellt hatten und die Abgesandten der verschiedenen Kontingente
erwarteten, um ihnen den Lohn für ihre Einheiten auszuhändigen. Limoras war in
dem Heerlager zwei Wegstunden südlich zurückgeblieben. Die Gefahr, dass ein
anderer Fayé ihn erkannte, war zu groß. Auch das Mondsilberschwert

Weitere Kostenlose Bücher