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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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anzumerken, dass er zur Trunksucht neigte.
Er sprach dem Wein unterschiedlich stark zu. Soweit Helion es beurteilen
konnte, war heute nur Wasser in seinem Becher gewesen.
    »Wir hatten gehofft, Ihr würdet den Anlass nutzen, um zu bestätigen,
dass Ihr doch noch ein Kontingent beisteuern könntet.«
    Aus dem Saal drang das Lautenspiel der beiden Barden, dazu der
überraschend kräftige Gesang des Fräuleins. Mit ihrer Stimme hätte sie den Raum
auch allein ausfüllen können. Helion hätte sie gern eine Ode vortragen hören,
aber heute waren Stücke gefragt, die zum Tanz geeignet waren. Baron Truber
hatte keine Mühen gescheut, für offenherzige weibliche Gesellschaft zu sorgen,
um den Kriegern Entspannung zu verschaffen. In der Tat hatte er ein so
opulentes Mahl aufgefahren, dass Geiz nicht der Grund sein konnte, aus dem er
das zugesagte Truppenkontingent zurückhielt.
    »Und Ihr seid …?«
    »Helion. Silberträger.«
    »Das ist der niederste Rang, den die Mondschwerter zu vergeben
haben, nicht wahr?«
    »So ist es. Ich bin ein einfacher Ritter.«
    Wenn er nüchtern war, war Phaistor durchaus ein wacher Zuhörer. Auch
jetzt sprang er sogleich hilfreich bei: »Ich habe in den vergangenen Wochen
Helions Rat zu schätzen gelernt. Er ist mehr als ein einfacher Silberträger. Er
ist mein Berater.«
    »Der Berater des Kommandanten der Leibwache der Abordnung der
Priesterschaft der Mondmutter«, stellte Baron Truber fest. Mit jedem Wort wurde
deutlicher, wie gering er die Stellung seiner Gesprächspartner einordnete. »Und
nachdem ich die Lage mit den Anführern des gesamten Heerzugs bereits drei
Nächte lange erörtert habe – was habt Ihr mir nun zu sagen, während ich drinnen
meine Gäste unterhalten sollte?«
    Sie hatten den Baron auf den Balkon gebeten. Sein Palast war ein
ausgebautes Relikt der Fayé. Sie befanden sich im Nordwesten Eskads, in den
Ausläufern des Nachtschattenwalds, wo diese gewachsenen Häuser noch ab und an
zu finden waren. Auch Trubers Residenz war einmal, vor Jahrtausenden,
freiwillig vom Wald geformt worden. Wenigstens war das die Deutung der
Gelehrten. Anders ließ sich kaum erklären, warum drei riesige Bäume so
verwuchsen, dass sie Räume, Flure und Emporen bildeten. Dabei gediehen sie
kräftig, ihre Kronen standen in vollem Laub. Spuren von Werkzeug waren nicht zu
erkennen, aber diese wären ohnehin von den Jahrhunderten verwittert worden.
Erstaunlicher war, wie gut sich die Räumlichkeiten erhalten hatten. Eigentlich
hätte nicht nur die Verwitterung, sondern vor allem das beständige Arbeiten des
Holzes in einem lebenden Baum sie in den Tiefen der Vergangenheit vergehen
lassen müssen. Astlöcher verwuchsen mit der Zeit, während die meisten
Fayéhäuser noch immer deutlich als solche zu erkennen waren. Sie waren nicht
gerade bezugsfertig, aber doch nicht weiter verfallen, als es bei einem von
Menschen errichteten Bau nach fünf Jahren der Fall gewesen wäre. In Trubers
Palast ließ sich nicht immer sagen, welche Teile ursprünglich waren und was
seine Baumeister hinzugefügt hatten. Sie hatten darauf geachtet, nur Holz zu
verwenden.
    »Wir sind Männer des Schwertes«, sagte Helion. »Verzeiht daher, wenn
wir ungeübt in den Schnörkeln höfischer Sprache sind. Das Heer lagert nun schon
eine Woche in Eurer Baronie. Ihr sorgt gut für uns, doch das ist nicht der
Grund, aus dem wir kamen. Lasst uns geradeheraus sprechen. Was hindert Euch,
uns die Pikeniere beizustellen, die Ihr verspracht, und uns unserer Wege gehen
zu lassen? Wäre das nicht das Einfachste für uns alle?«
    Für einen Moment schien es, als wolle sich der Baron abwenden und
sie allein mit ihrer Frage zurücklassen. Dann seufzte Truber und umfasste das
Geländer, bei dem eindeutig war, dass es zur ursprünglichen Anlage gehörte. Es
bestand aus Zweigen, die nahezu senkrecht aus dem Boden wuchsen, um dann im
rechten Winkel abzuknicken und so einen Handlauf zu bilden. »Einfach und gut
gesprochen wie ein Ritter«, stellte er fest.
    Er sah hinaus in den Wald, der sich hinter dem Palast erstreckte.
Auf den ersten hundert Schritt wurde das Auge nur von vereinzelten Bäumen
behindert, aber dann erhob sich eine grüne Wand. In weiterer Entfernung ragten
Riesen aus dem Blätterdach, die sicher ebenso hoch waren wie diejenigen, die
den Palast formten. Vielleicht enthielt auch einer von ihnen ein Haus wie
dieses.
    »Aber für einen Baron ist das Leben nicht so einfach wie für einen
Ritter. Von Euch erwartet man, dass Ihr mit

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