Feind
die Osadroi haben würde.
Dann machten sie sich auf den Weg, vorbei an einem runden, einzeln
stehenden Turm, der nur durch eine Handvoll Krieger bemannt war. Einige von
ihnen sammelten Steine vom Hang ein, die sie von den Zinnen auf die Ondrier
werfen wollten, die sich aus dem Tal heraufarbeiteten.
Von dem Pfad aus hatten sie einen ungehinderten Blick auf die
tobende Schlacht. Der Berg warf die Kampfgeräusche zurück. Das Donnern der
Katapulte, das Brechen von Schilden und Rüstungen, das Klirren der Schwerter,
die Hörner und Posaunen, die die Truppen leiteten, Schreie des Mutes, des
Triumphs, der Verzweiflung, des Schmerzes und des Todes. Letztere waren immer
herauszuhören, unverwechselbar. Der Schrei, mit dem ein Mensch ins Nebelland
gerissen wurde, unterschied sich von allem anderen, als läge darin die
Einmaligkeit des Lebens, das ihn bis auf die Klinge seines Feindes geführt
hatte. Das stumme Sterben jener, die von den Tentakeln der Finsternis erfasst
wurden – ein Schicksal, das auch nicht wenige Ondrier ereilte –, war umso schrecklicher,
als es diesen letzten Abschied von der Welt verwehrte.
Besonders heftig wurde um ein Katapult gerungen, das keine
Brandladungen verschoss, sondern Trümmer der Ruinen, zu denen die Häuser
Delguardajas nach den Beben zu Beginn der Nacht geworden waren. Der Turm, der
den Pfad bewachte, wies bereits deutliche Risse auf und würde keinem
Volltreffer mehr standhalten. Deswegen konnten die Milirier die Wurfmaschine
nicht länger dulden. Die Ondrier wollten jedoch so kurz vor dem Durchbruch
nicht weichen, zumal sich hinter ihnen die Finsternis weiter ausdehnte und
ihnen so den Rückweg versperrte. Einige von ihnen bildeten mit Schild und Speer
eine lebende Sperre gegen die Milirier, während andere den Wurfarm spannten und
beluden.
Der milirische Offizier zeigte den Mut, den man seinem Volk
zuschrieb. Er stellte sich an die Spitze der Truppe und stürmte seinen Kriegern
voran gegen den Feind. Soweit Helion sehen konnte, fand er den Tod, riss jedoch
eine Lücke in die Formation, die groß genug war, damit die Nachfolgenden
durchbrechen konnten. Das Katapult wankte. Bevor es gänzlich umkippte,
zerschlug ein Ondrier das Spannseil. Der Wurfarm krachte gegen den Querbalken
und schleuderte die Ladung aus Trümmern in die Luft.
Sie flog jedoch nicht auf den Turm zu, sondern auf den Pfad, auf dem
die Gefährten vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzten. »Achtung!«, schrie
Helion und duckte sich unter den Schild, dann donnerten die Brocken schon über
ihnen an den Steilhang. Eine Lawine aus Geröll löste sich und prasselte herab.
Ajina schrie und rutschte aus. Gerade noch konnte Deria ihren Arm fassen und so
verhindern, dass die Adepta fünfzig Schritt in die Tiefe fiel.
Deria sah in Helions Augen, als sie seine Geliebte mit ruhiger Hand
zurück auf den Pfad zog. Er nickte ihr dankbar zu. Schweigend setzten sie ihren
Weg fort.
Die Offiziere versuchten, zumindest die Kampfgruppen von zehn
Kriegern zusammenzuhalten. Daher wichen die meisten von ihnen dem beengten und
unübersichtlichen Trümmerfeld aus, das einmal die Stadt Delguardaja gewesen
war. Als die Gefährten erst einmal den ehemaligen Stadtrand hinter dem Schleier
dichten Rauchs überwunden hatten, gelang es ihnen, unbemerkt durch die Ruinen
zu schleichen. Helions Achtung vor Deria wuchs beständig. Sie hielt nicht nur
Schritt, sondern besaß sogar genug Ausdauer, um gemeinsam mit Estrog die nähere
Umgebung zu erkunden und so vereinzelte Truppen zu entdecken, bevor sie ihnen
in die Klingen liefen. Sie wäre eine hervorragende Späherin gewesen, auch wenn
sie abgesehen von den wenigen Fechtstunden, die Helion ihr erteilt hatte, nie
gekämpft hatte.
Am Nordhang des Tals arbeiteten sie sich den Hang hinauf. Sie wagten
nicht, die Straße zu benutzen, die zu den Villen führte, denn dort hätte man
sie zu leicht entdecken können, also kletterten sie zwischen Gestrüpp und
Bäumen aufwärts. Man merkte Modranel und Ajina an, dass auch sie viel Zeit in
der Wildnis verbracht hatten. So war es Helion, der sich am schwersten tat.
Vollrüstungen stützten ihr eigenes Gewicht, solange man aufrecht stand, aber
für das Klettern an einem Hang, halb liegend, halb kniend, waren sie nicht
konstruiert.
»Mir scheint, Euer Atem geht ein wenig schnell«, raunte Estrog dann
auch, als sie sich hinter einer Hecke sammelten.
»Ach was! Ich pfeife ein Lied aus meiner Heimat!«, gab Helion munter
zurück.
Durch die Zweige
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