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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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brachte. Das Tal war unter den
fortgesetzten Beben zu einer Trümmerwüste geworden, die Straßen der Stadt nicht
mehr zu erkennen. Der Rauch, der von keinem natürlichen Feuer geboren war, zog
in dichten Schwaden durch die Luft, zuweilen auch entgegen der Richtung, in der
der schwache Wind ihn hätte treiben müssen. Der Choral war verstummt, die
Pilger hatten ihr letztes Opfer gebracht. Den Seelenspiegeln stand das noch
bevor. Nur wenige waren so klug, ihr Ende kommen zu sehen, und versuchten, in
die Nacht zu fliehen, doch die Macht der Schattenherren hielt sie gefangen. Sie
konnten sich nicht weiter als fünfzig Schritt entfernen, dann stürzten sie
zurück, als risse jemand an einer Schlinge um ihren Hals. Die Finsternis der
Ersten teilte sich bereits in Dunkelheit, die in den Schatten der Nacht
aufging, und glitzernde Essenz, die von den Osadroi aufgenommen wurde. Nur
Limoras, der gefangene Fayé, stand unbewegt an seinem Pfahl. Mit ihm schienen
sich die Dunkelrufer vergeblich abzumühen. Vielleicht war die Lebenskraft der
Fayé zu fremd, um den Schattenherren, die schließlich selbst einmal Menschen
gewesen waren, von Nutzen zu sein.
    Lióla wandte sich wieder den Kindern zu. Durch die Verbindung zu den
Osadroi spürte sie, dass sich das Ritual seiner Vollendung näherte. Sie hielt
nichts mehr zurück, forderte alles von den Kindern und war sehr zufrieden mit
der Essenz, die sie gaben. Es war eine Nacht voller dunkler Wunder.
    Die Finsternis stieg aus der kalten Leere zwischen den Sternen
herab.

SCHLACHT
    M odranel hatte sichtlich
Schwierigkeiten, den Blick zu lösen, aber es war keine Furcht, die ihn gebannt
hielt. Es war Faszination. Im flackernden Schein der Feuerbälle, die die
Katapulte gegen die Türme und Kastelle der Festungsanlage schleuderten, sah
Helion den verträumten Zug um die blauen Augen in dem alten Gesicht.
    Die von Ghoulen bewegten Wurfmaschinen waren überwiegend auf den
Hängen in Stellung gebracht, nur wenige kamen durch das Tal. Dorthin hatte sich
die Finsternis gesenkt, die aus der Nacht herabgekommen war. Wie eine Qualle
sah sie aus. Eine Qualle, so groß wie eine Burg und so schwarz wie das Herz des
Schattenkönigs. Nur bei dem Seelenspiegel hatte Helion bereits eine solche
Finsternis gesehen, die nach allem Licht gierte. Wenn die Brandgeschosse gegen
die Mauern krachten, zerplatzten sie und gossen ihr flüssiges Feuer über den
Stein. Oft spritzte die Glut weit genug, dass sie die Finsternis erreichte,
manchmal war ein Schuss auch so schlecht gezielt, dass er den schwarzen
Giganten direkt traf. Sobald das Feuer die Finsternis berührte, verschwand es
spurlos.
    »Wenn Ihr Herr über Eure Bewunderung werden könntet, wären wir alle
Euch sehr verbunden!«, rief Helion. Sie waren erst fünfhundert Schritt von dem
Schlupf entfernt, durch den sie die Festung verlassen hatten. Es war der
gleiche, durch den auch Pepp hatte fliehen wollen. Estrog hatte sie zunächst
vom Kampfgeschehen fortgeführt, den Hang hinauf. Deswegen sahen sie genau, wie
sich die Tausendschaften der Menschen in denen der Ondrier verbissen. Noch
zählte die überlegene Zahl der Angreifer wenig, das Gelände war zu eng. Aber
das würde sich schnell ändern. Sicher hatten die Schattenherren nicht mit einem
Ausfall gerechnet, er würde ihre Taktik zerstören und sie kurzzeitig
zurückwerfen, sicher würden sie auch viel schweres Gerät verlieren. Aber die
Menschen würden in der Feldschlacht aufgerieben. Eine Stunde, vielleicht zwei,
dann wäre Guardaja bis auf die klägliche Restmannschaft entblößt. Noch vor dem
Morgengrauen würden sich die Schatten auf den Pass senken. Es sei denn, sie
konnten Lisanne töten. Kann der Tod selbst sterben?
    »Ihr wisst nicht, welches Opfer Ihr verlangt, Paladin«, seufzte
Modranel. »Nach mehr als einem halben Jahrhundert fällt es einem leicht, eine
so hässliche und langweilige Welt loszulassen. Aber so etwas wie dies haben nur
wenige jemals gesehen.«
    »Und die meisten, die es sehen, können nicht mehr davon berichten«,
murrte Estrog. Nicht nur die glockenartige Form des Torsos entsprach der einer
Qualle. Die unheilige Wesenheit hatte auch Tentakel, dünne Fangarme, Fäden der
Finsternis, viele Hundert Schritt lang, mit denen sie den Hang hinauf peitschte.
Wenn ein Krieger davon erfasst wurde, ging er in gespenstischer Stille zu
Boden.
    »Wohl wahr«, sinnierte Modranel. »Dies ist ein Geheimnis, das zu
erforschen einen hohen Preis kostet.«
    »Den höchsten, will mir scheinen«,

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