Feindberührung - Kriminalroman
über eine halbe Stunde da drin, ich hab mir Sorgen gemacht.«
» Du Süße! Entschuldige, ich habe einfach die Zeit vergessen. Alles in Ordnung bei mir. Ich zieh mich an, okay?«
Martina lächelte erleichtert und nickte.
» Wie sieht’s aus? Willst du nach Hause oder in die Dienststelle, für die Aussage?«
Therese zögerte nicht.
» In die Dienststelle.«
Sie schloss die Tür und trocknete sich gründlich ab. Sie frottierte sich krebsrot, kämmte die nassen Haare unter dem dröhnenden Föhnautomat und bediente sich dann an einer herumstehenden Bodylotion. Sie zog sich an und warf einen abschließenden Blick in den Spiegel. Sie suchte nach Spuren des erlittenen Schreckens in ihrem Gesicht. Nichts. Außer den blauen Flecken und Schürfwunden natürlich. Am Hals eine schon verschorfte Stelle von dem Messerritz. Therese reckte das Kinn nach vorn und kniff ihre Augen zu Schlitzen.
» So, Arschloch. Jetzt kommt der offizielle Teil.«
Dann schüttelte sie ihre Haare und bauschte sie mit den Händen. Sie machte sich keine Illusionen. Es würde sie erwischen, früher oder später.
Aber nicht jetzt.
Nicht jetzt.
Burckhardt guckte konzentriert durch das Spiegelglas. Auf dem Tisch hinter ihm lag ein dicker Ordner aus dem Aktenkonvolut » Skulls«. Er enthielt Fotos und Personendaten.
Grewe griff den Ordner und schlug ihn auf. Es war verwunderlich, dass solche Leute erfolgreich Berufsverbrecher werden konnten, wenn sie schon auf fünfzig Meter Entfernung danach aussahen. Es war keiner dabei, dem man nicht sofort jede noch so abscheuliche Gewalttätigkeit zutrauen würde. Andererseits, wenn er Burckhardt richtig interpretierte, dann machten diese Drecksäcke ja genau damit ihr Geld. Mit Angst. Und mit Gier jeder Art.
» Geh mal zu W«. Burckhardts Zeigefinger tippte auf ein Register ganz rechts. Grewe blätterte vor, dann gab er seinem Kollegen den Ordner. Der schlug zielgerichtet eine Seite auf.
» Wusste ich’s doch. Das ist er: Wolfe«, Burckhardt sprach es amerikanisch aus, » so nennt er sich. Ich hab die Kerle hier nach Kampfnamen geordnet, die benutzen die untereinander ausschließlich.«
Grewe nahm den Ordner wieder und verglich die Fotos mit der Originalfresse. » Wolfe« war eindeutig der Mann, der im Vernehmungszimmer immer noch gefesselt auf dem Stuhl vor sich hin dämmerte.
Thereses Tritte hatten ihn nicht hässlicher gemacht, das war praktisch unmöglich. Grewe musste unwillkürlich lachen, es wurde eher ein Rülpsen, weil er versuchte, es zurückzuhalten. Burckhardt guckte ihn grinsend an. Grewe tippte auf eine Zeile.
» Pascal Benjamin Schönlein. Das geht natürlich bei dem Beruf nicht. Hätte ich mir auch was überlegt.«
» Ja, mit so was heitern wir uns auch immer auf. Weil es in Wirklichkeit echt frustrierend mit denen ist. Mir hat damals sogar einer aus der Stadtverwaltung klipp und klar gesagt, dass es doch besser ist, das Rotlicht ist geordnet in einer Hand, als dauernd diese Albaner- und Russenschießereien.« Burckhardt spuckte verächtlich Luft aus.
Grewe schaute auf den sich über Burckhardts Unterarm windenden Drachen. Ja, so durfte man einem Polizisten wie Burckhardt nicht kommen. Einem wie Grewe auch nicht, deswegen mochten sie sich so gerne. Unter anderem.
» Okay. Jetzt wissen wir, wer er ist. Wie geht’s weiter? Der wird vermutlich nicht mehr sagen, oder«
Burckhardt wiegte den Kopf.
» Unwahrscheinlich. Wenn er identifiziert ist, wird er einen Bruder anrufen, wahrscheinlich direkt den Club-Präsidenten, und der organisiert ihm einen Anwalt. Er wird nichts sagen, ohne Widerrede in U-Haft einfahren und dann irgendwann sein Urteil kassieren. Wenn er durchgehend die Klappe hält, dann bleibt sein Nest warm, dafür sorgen die Brüder. In der Kiste ist er eh King. Und in fünf, sechs Jahren ist er draußen, wenn er noch nicht einschlägig vorbestraft ist. Was hat er denn so?«
Grewe überflog die Angaben aus der Akte.
» Tatsächlich nicht viel. Ein paar Körperverletzungen, aber nicht so schwere wie die jetzt. Keine Vergewaltigung bisher. Mehrere Ermittlungsverfahren, aber außer einmal Bewährung und einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren ist nie was dabei rausgekommen.«
» Na ja, mit der Nummer hier kommt er nicht durch, das steht fest.« Burckhardt nahm den Ordner wieder an sich und klappte ihn zu.
Grewe drehte sich zu ihm.
» Ja. Aber ich will wissen, warum der ausgerechnet heute um ein Haus schleicht, in dem jemand aus dem Umfeld seiner Gang umgebracht worden
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