Feindberührung - Kriminalroman
ist. Das war doch kein Zufall.«
Burckhardt zog Luft durch die Nase und schaute dann wieder durch die Scheibe auf Wolfe, der mittlerweile die Augen geöffnet hatte.
» Wahrscheinlich nicht. Vielleicht aber doch. Wie viele Parteien wohnen denn in dem Haus? Da kann es zig Verbindungen geben.«
Grewe stützte sich auf einen schmalen Sims unterhalb des Spiegels.
» So was gibt es nicht, solche Zufälle.«
» Von ihm wirst du auf jeden Fall nichts darüber hören, es sei denn, er hat eine absolut harmlose Erklärung für seine Anwesenheit parat. Irgendwas, das entweder den Interessen der Gang nicht schadet oder«, und damit schaute er Grewe fest an, » schlicht und ergreifend wahr ist.«
Grewe stierte weiter durch das Spiegelglas. Dann ließ er plötzlich den Kopf auf die Brust fallen, atmete aus und stemmte sich dann hoch.
» Ich verrenne mich schon nicht, Fritz. Keine Angst. Aber es gibt todsicher eine Verbindung zum Mord an Rems. Der einzige Zufall war, dass Therese dort aufgekreuzt ist. Leider.«
Burckhardt legte Grewe eine Hand auf die Schulter.
» Ich weiß, dass ich dir nicht erklären muss, wie man unseren Job macht. Und du hast vermutlich recht. Trotzdem.«
Grewe nickte ihm zu.
» Ja, Fritz. Danke.«
Martina parkte ihren Wagen auf dem Hof der Direktion. Die beiden Polizistinnen stiegen aus, Martina griff sich den Metallkoffer und die Tüten mit Thereses Joggingklamotten vom Rücksitz, und dann überquerten sie den Hof in Richtung Hauptgebäude.
Am Aufzug trennten sich ihre Wege. Martina fuhr nach oben, in die Räume der Tatortbereitschaft und des Labors der KTU, Therese machte sich auf den Weg ins Untergeschoss, wo sich die Vernehmungsräume und der Zellentrakt des Polizeigewahrsams befanden. Direkt gegenüber der Treppe nach unten war eine weitere Glastür, die auf den Hof führte. Im Vorbeigehen sah sie dort Burckhardt und Grewe, Burckhardt rauchte.
Thereses Herz machte einen kleinen Hüpfer, als sie Grewe erkannte, und er bemerkte sie im selben Augenblick.
» Therese! Es tut mir so leid. Auch von Stina, wir …«
» Danke, Grewe. Ich weiß doch«, unterbrach Therese ihn und hob abwiegelnd die Hände.
Grewe stand mit halb ausgebreiteten Armen ein bisschen unschlüssig vor ihr.
» Ich bin spurentechnisch bearbeitet«, sagte Therese lächelnd, » du darfst mich umarmen.«
Das tat Grewe, lange standen sie so da, während Burckhardt in ruhigen Zügen Rauchwolken in die kalte Nachtluft blies.
» Wollen wir über die nächsten Schritte reden?«, fragte Grewe, als sie sich voneinander lösten.
» Gerne. Können wir reingehen dazu, ich friere ganz schön?«
» Na klar. Wir setzen uns unten in den null null eins, der ist frei. Magst du Kaffee?«
» Unbedingt.« Therese ging voran, Grewe schaute Burckhardt an.
Der drückte seine Kippe am Rand des Metallaschers aus, der neben der Tür stand, und nickte in Richtung Flur.
» Geh du schon mal runter, ich mache Kaffee beim Dauerdienst.«
» Das ist fein von dir, Fritz. Ich …« Grewes Blick flirrte, er druckste herum.
» Was ist denn?«
» Ich weiß nicht, es ist nur so ein spontaner Gedanke.«
Burckhardt verdrehte die Augen.
» Sag schon.«
» Vielleicht würde Therese die Geschichte deiner Tätowierung jetzt ganz guttun. Dachte ich gerade.« Grewe schaute wie ein Neunjähriger.
Burckhardt lachte leise.
» Probier’s doch aus.«
Grewe nickte. Auf dem Weg nach unten rekapitulierte er die beinahe mythische Story.
Burckhardt war als Sechzehnjähriger von der Schule abgegangen, um zur See zu fahren. Sein Vater war Kapitän gewesen und unter nicht ganz geklärten Umständen in Santos bei São Paulo ums Leben gekommen. Burckhardt hatte die Ausbildung abgeschlossen, und seine dritte Reise als Vollmatrose führte ihn nach Südamerika. In Santos war Burckhardt plötzlich verschwunden gewesen. Gut vier Wochen später war er dann völlig fertig in der deutschen Botschaft aufgekreuzt, und von dort hatte man die Heimreise organisiert. Über die Gründe für sein Verschwinden hatte der junge Seemann sich ausgeschwiegen. Den Job bei der Reederei war er los gewesen, und die Kosten für den Transfer hatten alle seine Ersparnisse aufgefressen. Zu Hause angekommen, hatte er seiner Mutter das Foto eines brutal aussehenden, zahnlosen Brasilianers in Handschellen auf den Tisch gelegt. Es war ein Straßenräuber, der Papa Burckhardt wegen achtundzwanzig Dollar abgestochen und liegen gelassen hatte. Er hatte zu einer Bande gehört, die die Polizei regelmäßig
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