Feindberührung - Kriminalroman
erleichtern. Grewe hatte mit vielen Kollegen darüber gesprochen, und keiner hatte den Augenblick des Geständnisses je als Triumph erlebt. Wenn das Gegenüber endlich sagte: » Also, ich war das«, dann trat meist nur Leere ein, Kälte. Keine Erleichterung, kein Hochgefühl.
Wenn man in den ersten achtundvierzig Stunden zu keinem Ergebnis kam, konnte es zäh werden. Und dann durfte man sich nicht vom Zufall abhängig machen, dann musste hart und ausdauernd gearbeitet werden …
Die Maschine gab ein brodelndes Zischen von sich. Grewe goss die schwarze Brühe in eine Thermoskanne um und suchte Milch, Zucker, Tassen und Löffel zusammen. Es dauerte, weil er die ganze Zeit mit dem Kopf bei Schönlein war.
Der Mann im Keller war Gewohnheitsverbrecher, Profi, auch wenn er durch seinen Lebensstil schon ziemlich ramponiert und eindeutig nicht der Hellste war. Aber er war in der Lage, Chancen abzuwägen. Wenn er etwas erzählen wollte, gegen den Kodex der Bruderschaft verstoßen, dann hoffte er, damit einen guten Deal zu machen. Bei seinen Gangsterbrüdern war er danach durch.
Grewe hatte die Vernehmung aus verschiedenen Gründen unterbrochen. Vor allem, weil er zuerst mit Gerd Drossel reden wollte. Sie mussten eine Vorstellung entwickeln, welche Bedeutung die gefundene Waffe für Schönlein hatte. Grewe glaubte nicht, dass die Waffe den Rocker in irgendeinem kriminellen Zusammenhang belastete. Das würde der schulterzuckend hinnehmen. Leute wie Schönlein jammerten nicht rum, wenn das Gesetz sie erwischte, sie sahen sich als außerhalb der Regeln stehend an. Hatte die Gesellschaft Probleme damit, dann ging ihnen das am Arsch vorbei.
Aber diese Waffe machte dem Kerl Angst, das war deutlich zu sehen gewesen. Und über Angst redete so einer gar nicht gerne. Grewe war sicher, dass eine erste Impulsaussage noch stark eingefärbt gewesen wäre von dem Versuch, sich selbst nicht zu schlecht darzustellen oder die Verbindung zu seiner Gang nicht mehr als nötig zu schädigen.
Natürlich barg ein solches Verhalten auch Chancen, dass der Mann sich in Widersprüche verwickelte, und durch die Unterbrechung gab Grewe ihm die Möglichkeit, sich zu fassen und seine Erzählung im Kopf zu üben.
Andererseits wussten die Polizisten jetzt noch gar nichts, was es ihnen wiederum schwer machte, Widersprüche in einer Aussage sofort zu registrieren. Nein, die Zeit spielte eher für die Ermittler und gegen die Nerven von Schönlein, da war sich Grewe sicher.
Er ging mit dem Tablett den Gang hinunter zum Besprechungsraum, wo die wenigen nicht ausgerückten Kollegen und Therese versammelt waren. Es gab großes Hallo über den » Chefkaffee«, und kaum hatte der Letzte sich eingegossen, kam Gerd Drossel in den Raum, eine Tüte mit der Waffe in der Hand. Er legte den Fund auf den Tisch, warf seine Jacke über die Stuhllehne und setzte sich hin. Übergangslos begann er seinen Vortrag.
» Also: Fund hinter einer Kachel im Bad, ganz geschickt gepolstert, dass man allein vom Klopfen kaum Verdacht schöpft, aber der Kitt um die Kachel war neuer als an anderen Stellen, na ja, ist auch egal.« Drossel winkte ab. » Modell Colt M 1911 , Kaliber . 45 ACP. War in den USA jahrzehntelang Ordonnanzwaffe der Armee, wird dort von vielen Polizeibehörden und Sondereinheiten immer noch verwendet. Das Kaliber ist in Europa bei Sportschützen sehr beliebt, bei Behörden oder Militär kommt es gar nicht zum Einsatz. Ich hab schon Fingerabdrücke genommen, aber da ist wenig Hoffnung. Wenn, dann allenfalls Teilabdrücke und viel Verschmiertes. Das Ding ist gründlichst abgewischt worden, was ja an sich schon einiges aussagt, denke ich.«
Die kleine Runde nickte.
» Die Waffe macht unserem Rocker ganz schön Angst. Da muss was sein.« Grewe tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. » Was schlägst du vor, Gerd?«
Drossel schnaufte. » Ohne Fingerabdrücke bleibt nur ein Verfeuerungsnachweis und Vergleich mit der BKA-Datei. Vielleicht haben die was über das Ding.«
» Ist Munition drin?«
» Nein. Noch nicht mal ein Magazin.« Drossel war genervt.
Grewe bemühte sich um einen völlig forderungsfreien Tonfall.
» Gerd, ich weiß, dass der Beschuss für die KTU zeitraubend ist, aber ich möchte die Vernehmung von Schönlein erst fortsetzen, wenn ich was in der Hand habe. Wegen des Angriffs auf Therese kriegen die Kollegen sicher heute noch einen U-Haftbefehl, er läuft uns also nicht weg.«
Drossel griff sich die Tüte und sprang vom Stuhl.
» Dann ruf du
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