Feindberührung - Kriminalroman
beruhigte ihn ein bisschen. Genau, er würde einfach auf Zeit spielen. Sollten sie ihn doch wegen der Prügelei mit der Bullenfotze verknacken, das andere würde er einfach aussitzen, bis sie was Konkretes hätten. Dann konnte er ja weitersehen.
» Das ist Ihr gutes Recht, Herr Schönlein. Als Zeuge müssen Sie nichts aussagen, was Sie selbst belasten könnte. Das müssen Sie übrigens in keinem Fall, auch nicht als Verdächtiger oder Beschuldigter.«
Wie schaffte die das, so scheißfreundlich zu bleiben?
» Dann unterbrechen wir die Vernehmung und gehen einen Kaffee trinken, mein Kollege und ich. Ich höre, Ihr Magen ist nicht so stabil heute? Da werden Sie wohl keinen Kaffee mögen? Wie wär’s mit Kamillentee?«
Wolfe guckte zur Decke, zum Boden hatte er jetzt lange genug geglotzt. Ein Handy klingelte, der Anzugbulle griff in seine Innentasche.
» Grewe.«
Er hörte dem Anrufer zu und brummte nur ab und zu » Ja« oder » Aha« und dann » Ach?«.
Mit einem » Sehr gut, Gerd, bringt sie sofort her«, beendete er das Gespräch und verstaute das Handy wieder im Jackett.
Dann sagte er zu der Bulette: » Gerd hat eine Pistole in Rems’ Wohnung gefunden. War wohl gut versteckt, hinter einer Badfliese, aber gegen Gerd hatte das keine Chance.«
Die Bullen lachten, dabei standen sie auf. Als sie schon bei der Tür waren und der Streifenbulle ihnen aufschloss, fasste Wolfe einen Entschluss. Er atmete tief ein.
» Äh, Moment …«
Die zwei drehten sich um.
» Ach, möchten Sie doch einen Kamillentee?«
Natürlich, die Fotze konnte es nicht lassen. Aber Wolfe war am Ende eines Weges angekommen, den er viele Jahre gegangen war, einem Weg voller Blut und Drogen, dem Geruch von Benzin und der heißen Sonne auf dem Tank seiner Harley. Er hatte keine Ahnung, was jetzt auf ihn zukam, aber was auch immer es war, ein paar blöde Sprüche von der Bulette waren definitiv ein Scheiß dagegen.
» Ich will was aussagen.«
Die Bullen guckten sich an. Der Anzugtyp drehte den Kopf zu Wolfe, machte ein abschätziges Gesicht und sagte: » Ach nein, Herr Schönlein, wir trinken jetzt erst mal Kaffee.«
Als die Tür sich hinter den beiden schloss, heulte Wolfe laut auf.
» Ihr Wichseeeeeeer!«
Grewe und Therese gingen beschwingt den Flur entlang in Richtung Fahrstuhl.
» Ach, Grewe, manchmal öffnet der liebe Gott ein Türchen, oder?«
» Ja, aber du hast den Eintritt bezahlt, Therese. Es war nicht geschenkt.« Grewe drückte den Knopf.
» Daran erinnern mich diverse Knochen die ganze Zeit.«
Der Aufzug war da, die Tür schob sich auf.
» Wie lange wollen wir ihn hocken lassen?« Therese lehnte sich an die Wand der Kabine.
» Auf jeden Fall will ich erst mit Gerd über die Waffe gesprochen haben. Mit Sicherheit war sie das, was Schönlein in der Wohnung gesucht hat. Aber ich will nicht nur auf seine Aussage angewiesen sein, um rauszukriegen, warum sie so wichtig ist für ihn.«
Sie waren da, die Tür öffnete sich.
» Hast du wirklich Lust auf Kaffee?« Grewe sah Therese an.
» Ja, sehr.«
» Magst du die anderen noch mal in den Besprechungsraum holen? Wir warten dann dort auf Gerd.«
» Mach ich.«
Grewe bog in die Kaffeeküche ab. Während er einen frischen Filter einlegte, das Pulver hineinschaufelte und dann Wasser nachfüllte, dachte er nach.
Es war überraschend schnell gegangen, und Gerds Meldung kam zum optimalen Zeitpunkt. Glück. Das gehörte manchmal dazu, das wusste Grewe aus langen Jahren als Ermittler. Dennoch misstraute er Glück, Grewe glaubte an mühselige Arbeit, an Präzision und Akribie. An Beweise und Spuren, Indizien, Vernehmungen und Besprechungen, daran, dass man ständig alles um und um drehen musste. Natürlich wurden die meisten Tötungsdelikte noch am selben Tag geklärt, weil in den meisten Fällen eben ein dem Toten nahestehender Mensch die Grenze überschritten, das große Tabu gebrochen hatte. Mord und Totschlag waren in aller Regel eine persönliche Angelegenheit. Oft genug war der Mörder sogar derjenige, der den Toten vermisst meldete und sich mit aller Kraft an der Suche beteiligen wollte, und gerade deswegen ahnten die Ermittler schon häufig beim ersten Kontakt, dass sie einen Mörder vor sich hatten, der es noch nicht wahrhaben wollte oder glaubte, davonzukommen. Diese Ermittlungen glichen dann einem Weg zur Wahrheit, auf dem die Beamten den Täter führten, begleiteten, bis er genug Vertrauen gewonnen oder genug Zuversicht eingebüßt hatte, um zu gestehen, sich zu
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