Feindberührung - Kriminalroman
schon mal in Wiesbaden an, ich krieche derweil vor den Kollegen auf dem Boden rum.«
Die Tür flog mit einem Krachen ins Schloss. Grewe blies Luft aus dicken Backen, dann lächelte er.
» Wer geht in zehn Minuten mit ins Fleur?« Alle Hände schossen nach oben, und Grewe beschloss im Stillen, für Gerd Drossel eine Flasche schottischen Whisky mitzubringen. Der König der Spurensicherer hatte es in Genussdingen eher mit Flüssigem …
Die Vernehmung des Pascal Benjamin Schönlein als Beschuldigter in einer Reihe von Straftaten zum Nachteil der Therese Katharina Svoboda sowie Verstößen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz dauerte nur knapp vierzig Minuten und verlief völlig widerstandslos. Kriminalkommissar Bernd Stein und Kriminalhauptmeister Thomas Joos vom K 12 verließen gut gelaunt den Vernehmungsraum und machten sich direkt auf den Weg zum Untersuchungsrichter. Schönlein wurde mangels anderer Anweisungen von Polizeioberkommissar Klaus Terjung wieder in seine inzwischen gereinigte Zelle des Polizeigewahrsams verbracht, wo sich der künftige Untersuchungshäftling in eine Ecke kauerte, das Gesicht in den Händen verbarg und diese Haltung für mehr als zwei Stunden nahezu regungslos beibehielt. Dann kippte er schlafend zur Seite um.
11
D r. Lyske wusch und desinfizierte gerade seine Hände, als er plötzlich zu Grewe schaute und fragte: » Wie geht es Ihrer Wunde?«
» Eigentlich gut, ich denke, ich könnte heute die Fäden ziehen lassen, wenn mir nicht die Zeit fehlen würde.«
» Aber Herr Grewe, haben Sie so wenig Vertrauen in mich?«, sagte Dr. Lyske. » Ich bin ordentlicher Mediziner, auch wenn ich eine etwas spezielle Patientenschaft habe.«
Grewe wurde ein bisschen rot. » Ehrlich, auf die Idee wäre ich nie gekommen, es tut mir …«
» Hören Sie doch auf. Ich habe Spaß gemacht, Herr Grewe.« Lyske lachte breit. » Setzen Sie sich hier hin. Wenn die Wunde gut aussieht, mache ich das sofort.«
Während der Rechtsmediziner sich Grewes Naht anschaute, kam Staatsanwalt Blum vom Rauchen zurück. Seine blassen Wangen hatten etwas Farbe vom kalten Wind bekommen, und sein Haar war für Blum’sche Verhältnisse verwegen zerzaust.
» Ah, nach den Toten die Lebenden.« Er strich sich die Haare wieder glatt.
» Die Reihenfolge nur aus Gründen dienstlicher Verpflichtung, nicht aus Neigung«, ließ sich Lyske auf dem Weg in einen Nebenraum hören. » Ich hole Besteck und Desinfektionsmittel, dann geht es sofort los.«
Blum setzte sich neben Grewe.
» Ich war sehr geschockt von dem, was Frau Svoboda da passiert ist. Bitte grüßen Sie sie herzlich von mir.«
» Darüber wird sie sich freuen, Herr Blum. Sie schläft jetzt hoffentlich im Ruheraum. Sie hat sich nicht nach Hause schicken lassen, und ich fürchte, sie wird auch bei einer eventuellen zweiten Vernehmung von Schönlein heute dabei sein wollen.«
Blum nickte.
» Bemerkenswerte Frau.«
» Ja, wirklich.« Grewe tastete vorsichtig nach seiner Wunde.
» Finger weg! Die gehört mir.« Lyske hatte Schere und Pinzette in der einen Hand, Tupfer und Desinfektionsmittel in der anderen.
» Wie könnten die nächsten Schritte aussehen, Herr Grewe?« Blum zupfte am Kragen seines Rollis, als wäre ihm plötzlich die Luft knapp geworden.
» Tja, schwierig. Wir haben Schönlein fest, das K 12 hat den U-Haftbefehl bekommen, und morgen bringen wir ihn hoch in die JVA. Sein Messer ist ja nun als Tatwaffe bei Rems ausgeschlossen. Und dieser Herzstich … Also so was traue ich dem Schönlein nicht zu. Nicht geplant.«
Das bezog sich auf den Bericht von Dr. Lyske. Der Rechtsmediziner hatte seine erste Annahme durch die Sektion bestätigt gesehen. Einer der Stiche saß perfekt zwischen dritter und vierter Rippe, die Klinge hatte noch nicht mal an einem Knochen geritzt. Sauber, ohne zu verkanten, war sie in Rems’ Brust und Herz eingedrungen. Keiner der anderen Stiche war nötig gewesen, um ihn zu töten. Dieser eine hätte gereicht, Lars Rems binnen kurzer Zeit verbluten zu lassen. Auch bei der Tatwaffe glaubten Lyske und ein Kollege aus Drossels Truppe, der bei der Sektion dabei gewesen war, an sachkundig ausgewähltes Gerät. Eine zweischneidige Klinge, auf einer Seite lief sie in Richtung Heft jedoch in einen stumpfen Teil aus, was man am Wundrand erkennen konnte. Breite und Tiefe der Stiche passten zu den üblichen Maßen sogenannter Kampfmesser. Die Ausführung der Stiche war entschlossen und kräftig, keine unsicheren Probierstiche. Über die
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