Feindberührung - Kriminalroman
Kommandobereich.« Er zwinkerte, und Oberst Pagels spielte mit, indem er lässig, geradezu amerikanisch, zurückgrüßte und dann mit ausgestreckter rechter Hand auf Schubert zuging.
» Was höre ich da? Sie sind immer noch Major? Da wird es aber höchste Zeit für die nächste Wehrübung, damit wir Ihnen noch einen Pickel auf jede Schulter kleben können, oder?« Der Offizier schüttelte dem Politiker die Hand und fasste dazu jovial dessen Oberarm.
» Ach, Sie wissen ja, der Parlamentsbetrieb in Berlin frisst mich auf, im September sind Landtagswahlen … die Partei steht hier nicht so gut wie im Bund. Da bin ich als zwoter Landesvorsitzender gefordert.« Schubert machte eine sorgenvolle Miene.
» Da tun Ihnen doch zwei Wochen grüne Luft erst recht gut. Im Schoß der Kameradschaft durchatmen, Abstand finden von der Schlangengrube Politik. Was meinen Sie? Im Juni haben wir eine sehr schöne multinationale Übung bei uns, da können wir im Stab jeden guten Mann für die Organisation gebrauchen.«
Schubert winkte ab.
» Mir müssen Sie das nicht schmackhaft machen, Herr Oberst. Wenn es nach mir ginge, würde ich ja morgen schon den Anzug gegen die Uniform tauschen, glauben Sie mir. Das ist doch die Insel der Glückseligen hier bei Ihnen.«
Der Oberst nickte, fasste den Politiker kurz unter und wies mit der Hand in Richtung Eingangstür.
» Bitte, wir gehen gleich hoch in mein Büro. Ein Kaffee wird uns guttun, nicht wahr?«
» Insel der Glückseligen, ich sag es doch, Herr Oberst.«
Auf dem Weg nach oben schwiegen sie, Schubert war zu sehr mit Schnaufen beschäftigt. Oberst Pagels registrierte das mit Befriedigung, er hatte sich über die » Insel der Glückseligen « ziemlich geärgert. Was dachte der Kerl eigentlich? Hatte noch nicht mal seinen Grundwehrdienst geleistet und war mit so einer Politiker-Informationswehrübung von fünf Tagen als Oberleutnant eingestiegen, die erste und bisher auch einzige echte Wehrübung hatte er dann aufgrund seiner beiden Staatsexamen gleich im Dienstgrad Major abgeleistet. Dagegen war ja grundsätzlich nichts einzuwenden, die Bundeswehr, speziell eine so massiv mit Auslandseinsätzen konfrontierte Einheit wie die Luftlandebrigade 42 , war auf engagierte Reservisten angewiesen und hatte sie auch Gott sei Dank in vielen Bereichen. Sie ersetzten oft aktive Soldaten über Monate, wenn diese im Einsatz waren. Ihre zivilberuflichen Qualifikationen waren dabei fast wichtiger als militärische Kenntnisse, und die meisten fügten sich reibungslos in den Dienstbetrieb ein. Aber einen Berufspolitiker, der nur insgesamt dreieinhalb Jahre in seinem eigentlichen Job als Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte gearbeitet hatte – was jetzt auch schon gut fünfundzwanzig Jahre her war –, in den Dienstbetrieb zu integrieren, war nicht leicht gewesen. Der S 3 -Offizier, in dessen Abteilung Schubert übte, war über dem Versuch halb wahnsinnig geworden.
Der Gipfel war das Vorkommnis, als der VIP-Reservist in der Funktion des Verbindungsoffiziers – man fand, quatschen könne er ja – einer kleinen Gruppe amerikanischer und britischer Stabsoffiziere in extrem schlechtem Englisch Ratschläge beim Schießen gab. Der Neckermann-Major selbst hatte am Vortag erst zum zweiten Mal in seinem Leben ein Sturmgewehr in der Hand gehabt, glaubte aber aufgrund eines drei Monate zuvor erworbenen Jagdscheins besonders qualifiziert zu sein. Die Amerikaner hatten alle das Ranger-Abzeichen und den Special-Forces-Tab auf dem Ärmel. Die Briten waren Fallschirmjägeroffiziere vom »2 nd Para « , den legendären » Red Devils«, drei von ihnen hatten im SAS gedient. Alle waren mehrmals in Kampfeinsätzen gewesen.
Abends war Major Schubert dann sturzbesoffen im Offizierskasino aufgestanden und hatte während des Absingens von » Oh, du schöner Westerwald« einem britischen Lieutenant-Colonel und einem US-Major Bier über die Ausgehuniform geschüttet, bevor er sich schließlich neben dem Kamin übergab.
Oberst Pagels merkte, dass sich bei der Erinnerung ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreiten wollte. Er verkniff sich die Reaktion, weil sie gerade das Vorzimmer betraten. Frau Kniehans, die das Büro der Brigadeführung leitete, stand auf.
» Lieber Herr Abgeordneter, dass Sie uns mal wieder die Ehre geben.«
Schubert gab ihr ungeschickt einen Handkuss, und Oberst Pagels dankte seinem Schöpfer für Frau Kniehans.
» Ich bringe sofort frischen Kaffee, die Herren.« Frau Kniehans nahm Schubert den
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