Feindberührung - Kriminalroman
Hauptfeldwebel guckte unglücklich.
» Ich finde, ich sollte gehen.«
Georgi schüttelte den Kopf.
» Das hier ist gegen jede Vorschrift und total bescheuert. So einen Job übernimmt der Vorgesetzte, oder man lässt es.«
Es war cool, mit solchen Leuten hier zu sein. Einfach cool. Das durfte man zu Hause gar nicht erzählen.
Georgi war aufgestanden und checkte noch mal seine Ausrüstung.
» Ich will einen Jammer vorne haben, damit uns wenigstens keiner per Fernzündung zerlegen kann.«
» Na klar, ich hol meinen Dingo zurück, da ist einer drauf.«
Georgi nickte.
Er machte ein paar Schritte und griff dann wieder nach dem Funkgerät.
» Hotel eins an Hotel. Kommen.«
» Hier Hotel.«
» Brauchen Dingo mit Jammer und Sprachmittler.«
» Verstanden. Kommen.«
» Ende.«
Kaum hatte er die Sprechtaste losgelassen, fielen ihm die Schokoriegel ein.
» Hauptfeld.«
Der EOD drehte sich zu ihm um.
» Habt ihr Süßkram an Bord? Für unsere zwei.« Mit dem Daumen wies er über die Schulter auf Rems und den Jungen.
» Klar, ich geb Ihnen was.« Der Hauptfeldwebel stieg in den Fuchs.
Er sah zu dem Jungen und Rems rüber. Plötzlich musste er nach Luft schnappen. Er hatte, ohne es zu bemerken, eine Weile ganz flach geatmet. Komisch. Ob man das Atmen vergessen konnte? Er löste sich von den beiden und schaute in die andere Richtung.
Aus dem Konvoi löste sich ein Dingo und fuhr auf sie zu, kurz hinter seiner Staubwolke quoll noch eine zweite auf. Er behielt die sich annähernden Fahrzeuge im Blick, neugierig, wer da noch unterwegs war.
Es war der Hägglund vom beweglichen Arzttrupp. Tommy ging auf Nummer sicher.
» Herr Oberleutnant.«
» Ja, Hauptfeld?«
Der EOD hielt ihm eine Tafel Schokolade, drei Riegel und eine kleine Tüte Studentenfutter hin.
» Das ist alles, was ich noch hab.«
Er musste sich zum Hingucken zwingen. Er befürchtete, die Süßigkeiten in den riesigen Händen des Kameraden könnten ihn zu Tränen rühren. Was war bloß los mit ihm in letzter Zeit?
» Das ist doch großartig. Danke.«
» Da nich für«, lächelte der Hauptfeld.
» Wie heißen Sie eigentlich? Sorry.«
» Peeters, macht nix.«
Er hielt Peeters die Hand hin. Der hatte Mühe, alle Süßigkeiten mit nur einer Hand zu halten, also nahm er ihm mit seiner Linken das Studentenfutter ab.
» Heinrich.«
» Ich weiß, Herr Oberleutnant.«
Beide lächelten.
Der Hägglund vom BAT war in gut fünfzig Meter Entfernung stehen geblieben, der Dingo weitergefahren und rollte jetzt langsam aus. Er hörte, dass die Tür hinten aufging, kurz danach bog Klimke mit Mirwais um die Ecke. Mirwais war um die vierzig, er wusste das selbst nicht so genau. Er hatte über zehn Jahre in Deutschland gelebt, dann musste er wieder zurück.
Mirwais trug eine zusammengestoppelte Uniform, Hose von der Bundeswehr, Jacke von den Franzosen, Stiefel von den Engländern. Tommy hatte dafür gesorgt, dass er eine vernünftige Schutzweste bekam und einen modernen Fallschirmjägerhelm aus Kevlar statt dem ollen Stahltopf, den er vorher hatte. Über dem Helm trug er einen blauen Stoffbezug, damit er von Weitem als Nichtkombattant zu erkennen war. Aber in Wirklichkeit würde das den Taliban am Arsch vorbeigehen. Mirwais war für sie zehnmal schlimmer als ein fremder Soldat. Er war ein Verräter.
» Hallo und Salaam, Oberer Leutnant.«
» Sei gegrüßt, Kalif Harun-al-Pussah.«
Sie verbeugten sich übertrieben voreinander.
» Schön, dass alle gut drauf sind.« Georgi wickelte gerade drei Streifen Kaugummi aus Stanniol und schob sie sich auf einmal in den Mund. » Himft mi bim konzntrieen.«
» Was?« Peeters hielt sich die Hand ans Ohr.
» Hilft mir beim Konzentrieren. Und du weißt das ganz genau.«
Sie lachten alle, aber das Lachen endete schnell und hinterließ ein unsicheres Flirren in der warmen Luft.
Sie schauten zu dem Jungen und Rems. Rems hatte während der gesamten Zeit noch nicht einmal die Position verändert; er kniete, hielt die Hände des Jungen, schaute ihm ins Gesicht und versuchte, sie beide am Leben zu halten.
» Okay. Ich schlage vor, dass zuerst Mirwais und ich nach vorn gehen, dem Jungen die Situation erklären, und dann folgen Sie auf Zeichen, Georgi. Alle einverstanden?«
Die Männer nickten.
» Mirwais? Bist du bereit?«
Mirwais sah ihm in die Augen.
» Ich bin bereit. Deswegen bin ich hier.«
Sie gingen los.
14
E s war neun Uhr dreißig. Oberst im Generalstab Jörg Pagels, der stellvertretende Kommandeur der
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