Feindberührung - Kriminalroman
bekunden. Eine Zeremonie mit militärischen Ehren ist seitens der Familie nicht gewünscht, aber die Angehörigen, das konnte ich im direkten Gespräch schon klären, würden die Präsenz von Kameraden in Uniform am Friedhof begrüßen.«
Der Oberst musste einen weiteren Frosch aus dem Hals husten. Oder war das eine aufziehende Erkältung?
» Ich selbst und der S 1 werden da sein, des Weiteren der Teileinheitsführer von Oberfeldwebel Rems. Darüber hinaus eine Abordnung von je fünf Soldaten pro Kompanie. Die Einteilung obliegt den Kompaniefeldwebeln. Kameraden mit besonderem persönlichem Bezug zum Verstorbenen werden selbstverständlich bevorzugt abgeordnet, über die Kapazitäten hinaus wird im Einzelfall Sonderurlaub für die Teilnahme bewilligt, dann aber in Zivil. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand findet das Begräbnis am Donnerstagvormittag statt. Details werden der Abordnung noch bekannt gegeben.«
Wieder legte der Oberst eine kurze Pause ein, um den Abschluss der Rede vorzubereiten.
» Ich möchte die seltene Gelegenheit dieses großen Antretens nutzen, unserem toten Kameraden den Fallschirmjägergruß zu entbieten.«
Der Oberst verließ das Mikrofon und begab sich wieder auf die Position, auf der er die Soldaten vor seiner Ansprache begrüßt hatte. Er nahm Haltung an.
» Fallschirmjäger, stillgestanden!«
Tausenddreiundzwanzig linke Stiefel schrammten über den Sportplatzboden nach rechts und setzten neben ihren Gegenstücken auf, Hände flogen von Rücken an Hosennähte. Der Oberst wartete einen Augenblick, bis alle im Stillgestanden waren, dann holte er tief Luft und rief kraftvoll: » Im Gedenken an unseren verstorbenen Kameraden, Oberfeldwebel Lars Rems, ein dreifaches Glück …!«
» Ab!«, donnerte die Front.
» Glück …!«
» Ab!«
» Glück …!«
» Ab!«
Die Schallwellen wurden zwischen den Gebäudewänden hin und her geworfen, und man durfte hoffen, dass, wo immer Bomber Rems jetzt war, er diesen letzten Gruß hören konnte.
Ein Husten gerade noch unterdrückend, schloss der Oberst: » Fallschirmjäger, rührt euch! Einheitsführer übernehmen, weitermachen mit Dienst!«
Die Kompaniechefs lösten sich aus den Formationen und stellten sich vor ihre Kompanien, die Spieße mit den gelben Kordeln um die rechte Schulter machten sich schon bereit, dann wiederum von den Kompaniechefs zu übernehmen. Der Stab verließ in loser Ordnung den Sportplatz. Um den stellvertretenden Kommandeur bildete sich gleich eine Blase aus Stabsoffizieren; die Gruppe bewegte sich in Richtung Stabsgebäude. Der Oberst hatte jetzt einen heftigen Hustenanfall. Major Radványi, der S 1 , klopfte ihm im Gehen auf den Rücken, bis Pagels, immer noch hustend, abwinkte. Er schaffte ein paar tiefe Luftzüge, dann drehte er sich zu Radványi um und sagte: » Danke, Major. Jetzt geht’s wieder.«
Der S 1 schaute über die Schulter des Oberst und machte ein erschrockenes Gesicht, gleichzeitig griff er nach dem Ellbogen des Vorgesetzten, doch Oberstleutnant Bruckwitz, der Chef des Stabes, war schneller gewesen und hatte die Vorwärtsbewegung des zweiten Mannes der Brigade schon mit seinem Arm aufgehalten und diesen so Zentimeter vor dem Übertreten der Bordsteinkante zum Stehen gebracht. Gerade rechtzeitig, bevor ein sehr leise herannahender schwarzer Mercedes die Gruppe passierte und Oberst Pagels, Gott oder vielmehr Oberstleutnant Bruckwitz sei Dank, nicht überfuhr.
» Also der ist doch im Leben nicht dreißig gefahren«, empörte sich der S 1 .
» Der sitzt auch aus gutem Grund nicht im Verkehrsausschuss«, sagte der Oberst lachend, während er der Limousine nachsah. » Das wär’s dann noch. Fünf Einsätze überstanden und dann in der Kaserne überfahren werden.«
Die anderen Offiziere lachten jetzt auch.
» Von einem Politiker noch dazu«, fuhr der Oberst mit erhobenem Zeigefinger fort.
Der Mercedes hielt vor dem Stabsgebäude, ein Fahrer stieg aus und öffnete die Fondtür. Ein untersetzter Mann von Mitte fünfzig schwang sich aus dem Wagen, dunkelgrauer Wollmantel über blauem Anzug, gelb-schwarz gestreifte Krawatte. Recht dichtes graues Haar, leicht gewellt, Brillengestell aus Metall. Er ging mit großen Schritten auf die Offiziersgruppe zu und stoppte knapp fünf Meter vor Erreichen des Obersten. Der Mann nahm trotz Zivilkleidung militärische Haltung an, legte die rechte Hand an die Schläfe und sagte mit einem Grinsen: » Herr Oberst, Major der Reserve Schubert, melde mich in Ihrem
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