Feindberührung - Kriminalroman
Neuestem scheint die Bundeswehr ja ein großer Fan von PTBS zu sein. Liegt das möglicherweise daran, dass sich damit Ausraster wie Rems der Öffentlichkeit gut erklären lassen?«
» Herr Schubert, das …«
» Das ist alles Blödsinn. PTBS! Hatten unsere Großväter PTBS? Die da zusammenbrechen, sind einfach nicht geeignet für Auslandseinsätze. Punkt. Für mich sieht es so aus, als wäre die Bundeswehr nicht in der Lage, geeignetes Personal in ausreichender Zahl für die ihr übertragenen Aufgaben heranzuziehen. Die einen sind zu weich, die anderen haben einen sozialen Grundschaden. Dieser Rems zum Beispiel ist sein Leben lang ein Gewalttäter gewesen, und er hat das erst durch die Auslandseinsätze so richtig ausleben können. Wäre er nicht zur Armee gegangen, würde der Mann schon seit Jahren im Gefängnis sitzen. Was gucken Sie so entsetzt, Oberst? Weil ich das weiß?«
Pagels musste sich erst durch einige Atemzüge beruhigen, das nutzte Schubert, um einfach weiterzumachen.
» Mein Sohn übt schließlich regelmäßig in Ihrer S2-Abteilung, der kennt die Akten. Und fangen Sie jetzt nicht mit Datenschutz an. Es hilft uns allen, wenn ich über solche Vorgänge auf dem Laufenden bin, bevor die Spatzen sie von den Dächern pfeifen.«
Solange Schubert Gift verspritzt hatte, war Oberst Pagels wie gelähmt gewesen, aber diese onkelhafte Ich-weiß-das-besser-als-Sie-mein-Junge-Attitüde brachte den nötigen Impuls, sich zu rühren.
» Herr Abgeordneter, es tut mir leid, aber Sie vergreifen sich gerade gewaltig im Ton. Ich werde jetzt ganz sicher nicht mit Ihnen diskutieren, wie fähig oder unfähig die Soldaten der Bundeswehr zur Erfüllung der vom Parlament«, dabei zeigte wiederum Pagels mit dem Zeigefinger auf Schubert, » in einer Mehrheitsentscheidung beschlossenen Aufträge sind. Als die Entscheidung zu Afghanistan anstand, war ich, wie Sie vielleicht wissen, selbst im Verteidigungsministerium tätig, und ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Soldat auf dem Boden gekrochen wäre, um bitte, bitte in diesen Einsatz geschickt zu werden. Wir haben unsere Bedenken deutlich gemacht und auch, dass klar war, dass die Verbündeten diesmal, wenn schon, dann mit einer substantiellen Beteiligung rechnen würden. Aber zugesagt hat diese Beteiligung der Kanzler, und keine Partei in Regierungsverantwortung hat seitdem auch nur das Geringste an dieser Haltung geändert.«
Schubert schüttelte missbilligend den Kopf und versuchte einzuhaken, aber nun hatte Pagels Fahrt aufgenommen.
» Das KSK ist nach Afghanistan rein und dann wieder raus, wir sind nach Kabul gegangen, wir sind nach Mazar-i-Sharif gegangen, wir haben Kunduz und Feyzabad übernommen, das Regionalkommando Nord. Immer mehr Verantwortung sollten wir übernehmen. Die Öffentlichkeit, also Ihr«, er zeigte wieder auf Schubert, » gefürchtetes Wahlvolk, hat das alles mit Misstrauen betrachtet; ja du lieber Gott, das sieht ja schon ein wenig wie Krieg aus, oder? Gleichzeitig haben uns die Alliierten verhöhnt, weil die Bundeswehr angeblich nur Urlaub am Hindukusch macht. Wir haben akzeptiert, dass die Öffentlichkeit Brunnen und Mädchenschulen sehen will, während unsere Soldaten schon in die Luft gesprengt wurden. Der Verteidigungsausschuss kreischt, das böse KSK ist da irgendwo, auf welchen Befehl? Wo sind die? Was machen die?«
Pagels warf in gespieltem Entsetzen die Arme nach oben.
» Aber niemand wollte wissen, dass zu diesem Zeitpunkt schon längst ganz normale Infanteristen im Feuerkampf gestorben sind. Nicht mehr irgendwelche schlimmen, geheimen Männer, die unbedingt töten wollen, sondern Ehemänner, Väter, Söhne, Brüder. Nachbarn.«
Pagels musste einen Augenblick innehalten, er merkte, dass sich ein Druck in seiner Brust breitmachte, es schien seine Augen aus den Höhlen spülen zu wollen. Seine Stimme drohte, wackelig zu werden. Doch eine Erkältung?
Schubert hatte die Arme verschränkt und machte ein trotziges Gesicht. Pagels nahm noch einmal Anlauf.
» Und da ist einer dieser Männer nun am Ende einer Kette von furchtbaren Ereignissen tot. Dass ihm das nicht im Einsatz passiert ist, war reiner Zufall. So wie Oberfeldwebel Rems seinen Job gemacht hat, hätte es ihn zigmal erwischen können. Und seine Beine hat er schließlich auch in Afghanistan gelassen. Ich sage Ihnen eines, Herr Schubert: Mir ist es gleich, was der Mann seit seiner Heimkehr als Krüppel getrieben hat und warum er umgebracht wurde. Er war Soldat der
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