Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
Stewart weiter nach den Bildern der Überwachungskamera suchte. »Während du geschlafen hast, haben wir uns ein paar Strategien überlegt, wie wir es schaffen können, dass Holly nicht in die Schusslinie zwischen Tempest und Eyewall gerät.«
Ich hörte ihre Worte zwar, konnte sie aber nicht verarbeiten. Mein Blick sprang zwischen Stewart und Kendrick hin und her und wanderte dann wieder zu Hollys Tagebuch und Adams Foto. Stewart und Kendrick hatten die gesamte Nacht damit verbracht, mir zu helfen. Und jetzt kamen sie auch noch mit einem Rettungsplan für eine Frau an, die ihnen völlig fremd war, für mich. Das alles war riskant und verstieß gegen CIA-Vorschriften, aber keine von den beiden schien die geringsten Zweifel zu hegen.
Und ich hab sie die ganze Zeit belogen.
Das war zu viel für mich. Ich hielt es nicht mehr aus, so vieles für mich zu behalten, während wir über alles andere offen redeten. Adam ist nicht mehr da, Mason ist tot, Dad wird vermisst, Holly wurde einer Gehirnwäsche unterzogen. Das hier war jetzt meine Familie – soweit ich so etwas in dieser Zeitleiste überhaupt haben konnte.
»Junior?« Stewart wandte sich von dem Laptop ab, kam auf mich zu und schnippte mit den Fingern. »Hast du überhaupt gehört, was Kendrick gerade gesagt hat?«
Ich hielt ihren Arm fest, um sie daran zu hindern, weiter mit den Fingern zu schnippen. »Ich bin nicht sicher, ob ihr mir überhaupt helfen solltet.«
»Aber warum denn nicht?«, fragten sie beide gleichzeitig.
»Von den Tempest-Leuten wird mich niemand umbringen oder den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Und die EOTs werden es ebenso wenig tun«, sagte ich und spürte, dass ich vor Aufregung schneller atmete. Die Worte purzelten mir nur so aus dem Mund; ich konnte sie nicht mehr zurückhalten. »Ihr zwei dagegen seid ersetzbar, insbesondere Stewart.«
»Du meinst, dir passiert wegen deines Vaters nichts?«, fragte Kendrick. »Ich glaube kaum, dass dir das so große Vorteile verschafft. Er ist doch genauso austauschbar wie wir.«
»Nein, das hat mit Dad nichts zu tun«, erwiderte ich langsam und fragte mich, warum sie meine Andeutungen noch nicht verstanden hatten.
»Ach, der verarscht uns nur«, sagte Stewart kopfschüttelnd.«
»Nein, tue ich nicht!« Ich holte tief Luft und sagte dann leise: »Sie werden mich nicht umbringen, weil ich zu wertvoll bin. Es war kein EOT, der mich in diese Zeitleiste gebracht hat. Ich bin aus eigener Kraft hierhergekommen.«
19
18. Juni 2009, 7:27 Uhr
Stewart kam mit ihrem Gesicht ganz nah an meins heran und sah dann besorgt zu Kendrick. »Meinst du, das ist der Schock?«
»Ja, höchstwahrscheinlich«, sagte Kendrick und näherte sich ebenfalls.
Ich schob Stewart aus dem Weg und ging schnurstracks zum Schrank, um die Kassette mit all meinen Aufzeichnungen zu holen. »Ich erzähle euch das nur, weil ich wahrscheinlich ohnehin nicht mehr lange hierbleiben werde. Dann ist es ja eh egal.«
»Wir sollten Dr. Melvin anrufen«, murmelte Kendrick leise.
Ich fand den Eintrag, den ich suchte: »Im Jahr 1989 haben Dr. Melvin und Tempest Eizellen einer Feindin der Zeit mit dem Sperma eines normalen Durchschnittsmannes befruchtet und sie in den Uterus einer Frau namens Eileen Covington eingepflanzt, und neun Monate später wurden zwei Halb-EOTs geboren.«
»Moment mal. Sprichst du von Axelle?«, fragte Kendrick.
Ich starrte sie mit offenem Mund an. »Du weißt davon?«
Stewart blickte verwirrt von einem zum anderen.
»Ja, ich weiß davon, aber nicht viel. Ich weiß weder, was mit den Produkten, noch, was mit der Leihmutter passiert ist«, antwortete Kendrick. »Ich dachte, das alles wäre noch gar nicht passiert.«
»Die Leihmutter wurde im Oktober 1992 von einem EOT namens Raymond erschossen. Das weibliche Produkt starb im April 2005 an einem Hirntumor«, sagte ich in einem langen Atemzug. »Und das männliche Produkt von Axelle, nun ja, das steht vor dir.«
»Soso«, sagte Kendrick.
»Das glaub ich jetzt nicht«, entfuhr es Stewart, und sie schüttelte den Kopf.
Gut, also versuchten sie schon mal nicht, mich kaltzustellen, womit ich fast gerechnet hatte. Dafür konnte es aber sein, dass sie mich in die Psychiatrie steckten. Was ich wiederum überhaupt nicht bedacht hatte. »Setzt euch doch mal hin und denkt in Ruhe nach, dann –« Ich unterbrach mich selbst, da ich gar nicht die Geduld hatte, darauf zu warten, bis sie alles durchdacht hatten. Mir kochte das Blut in den Adern. Trotz Emilys Warnung, diese
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