Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
Zeitleiste nicht zu verlassen, entschied ich mich impulsiv für den kürzesten Weg. »Ich zeig’s euch.«
»Wie? Was zeigst du uns?«, gaben Kendrick und Stewart gleichzeitig zurück.
»Rührt euch nicht vom Fleck!«, befahl ich und trat einen Schritt zurück.
Eine halbe Sekunde später stand ich an exakt der gleichen Stelle meines Apartments, nur waren Stewart und Kendrick und all die Unterlagen und Becher auf dem Couchtisch verschwunden. Ich stellte meinen Computermonitor an und klickte auf das Datum: 16. Juni 2009, 12:22 Uhr.
Ich war zwei Tage in der Zeit zurückgesprungen. Ich hatte mich auf dieses Datum konzentriert, aber es fühlte sich erzwungener an oder einfach schwerer, und ich war mir sicher, dass ich weiter zurückgesprungen war und in eine andere Zeitleiste, es sei denn …
Rasch holte ich ein Messer aus einer der Küchenschubladen, klappte das Bett hoch und hob mit Hilfe der Messerklinge vorsichtig eine der Holzdielen an. Dann drehte ich das Holz um und ritzte die Worte Jackson war hier hinein.
Danach setzte ich das Brett wieder ein, klappte das Bett wieder runter und sprang zurück.
18. Juni 2009, 7:32 Uhr
Ich landete so dicht vor Kendrick, dass ich sie umstieß und wir beide aufs Sofa fielen. »O Mann, ich fass es nicht!«, rief sie und blickte mit schreckgeweiteten Augen zu mir hoch.
»O mein Gott!«, sagte Stewart hinter uns.
Ich schluckte schwer und erwartete, dass sie mich entweder mit einer Million Fragen bestürmte oder aber angriff.
»Aber du hast es doch gar nicht«, setzte Kendrick, noch unter mir liegend, zu argumentieren an. »Das Tempus-Gen, meine ich. Du hast dieses Gen nicht, sonst wüsste ich es!«
»Vielleicht liegt es daran, dass ich nur ein Halbblut bin?« Ich rollte von Kendrick herunter und auf den Boden, dann klappte ich das Bett wieder hoch. Meine Finger tasteten hektisch nach dem fast unsichtbaren Ritz, an dem ich die Holzdiele angehoben hatte. Als ich ihn schließlich genauso vorfand, wie ich ihn einige Minuten zuvor zurückgelassen hatte, erstarrte ich. Mein Herz raste, während ich die Diele hochriss und auf die eingeritzten Wörter starrte, die jetzt zwei Tage alt waren.
»Wahnsinn!« Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich hab’s tatsächlich geschafft! Ich meine, ich hab’s vorher auch schon mal gemacht, aber diesmal hab ich es mit voller Absicht getan. Ich hab die Vergangenheit verändert. Ich hab einen Thomas-Sprung gemacht.«
Mein Grinsen muss total gruselig gewesen sein, denn Kendrick und Stewart rückten näher zueinander, als wollten sie sich unauffällig miteinander verständigen, aber wahrscheinlich wusste keine von beiden, was sie sagen sollte.
Was mich betraf, so hatte ich soeben festgestellt, dass ich diese Zeitleiste vielleicht doch nicht verlassen musste. Dass ich nicht das Risiko einzugehen brauchte, neue Zeitleisten aufzumachen. Ich konnte die Vergangenheit verändern. Ich konnte alles, was schiefgelaufen war, wieder in Ordnung bringen.
»Lasst uns noch einen Kaffee kochen«, sagte ich schließlich. »Es wird eine Weile dauern, bis ich euch alles erklärt habe.«
»O…kay«, sagte Kendrick und ging zur Küchenzeile.
Stewart sank seufzend aufs Sofa. »Ich bin ganz Ohr. Das wird eine gute Geschichte, hab ich recht?«
»Wenn du auf verrückte Geschichten stehst, ja. Dann wird sie das Beste sein, was du seit langem gehört hast.«
20
18. Juni 2009, 17:30 Uhr
»Es funktioniert nicht!« Ich hatte hämmernde Kopfschmerzen und konnte nichts anderes mehr tun, als mit dem Gesicht nach unten schwer atmend auf dem Fußboden liegen zu bleiben und darauf zu warten, dass die Schmerzen zumindest ansatzweise nachließen.
»Konzentrierst du dich vielleicht auf den falschen Augenblick?«, fragte Kendrick.
Die letzten acht Stunden hatten wir damit zugebracht, übers Zeitreisen zu reden und herumzuexperimentieren, während Stewart in der Küche vor dem Laptop saß. Kendrick wusste weitaus mehr, als ich mir je hätte träumen lassen, und war beinahe genauso hilfreich, wie Eileen es gewesen war. Jetzt verstand ich noch besser, warum sie dieser Abteilung angehörte.
Doch all ihr Wissen und all ihre Forschungen konnten mir nicht wirklich dabei helfen, den Thomas-Sprung erfolgreich zu wiederholen. Ich kriegte es einfach nicht hin, und die vielen Halbsprünge raubten mir all meine Kraft.
»Lass uns eine Pause einlegen, okay?«, sagte sie und zeigte aufs Sofa. »Dann können wir die Zeitleisten-Daten noch mal zusammen durchgehen. Vielleicht hilft dir
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