Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
beide hinsetzen. Dieses kleine Wettrennen eben hat mich ganz schön geschlaucht.«
»Du möchtest lieber, dass ich dir ins Bein schieße, damit dir die Arme nicht schwer werden?«
»Du schießt ohnehin nicht auf mich.« Ich leuchtete erneut in ihr Gesicht, um ihr Mienenspiel besser beobachten zu können. Sie war sauer, wie ich vermutet hatte.
»Leg’s besser nicht drauf an.«
Obwohl ich mir die Raummaße bereits eingeprägt hatte, ließ ich das Licht noch einmal langsam über die Wände gleiten. »Angesichts der Größe unserer kleinen Gefängniszelle würde die Kugel, wenn der Schuss danebengeht –«
»Wird er aber nicht.«
Das hätte mich nicht anmachen dürfen, das war mir schon klar; irgendwie tat es das aber doch. Kommando Holly , ein ganz neuer Kosename. »Sollte er trotzdem danebengehen, wird die Kugel von diesen Wänden abprallen, und es besteht eine sehr gute Chance, dass sie anschließend in deine Richtung fliegt.«
Sie hatte nun ebenfalls ihr Handy herausgeholt und tippte eine SMS ein, von der ich ganz sicher wusste, dass sie nicht rausgehen würde, solange wir unter der Erde waren. Ich wartete, bis sie wieder in meine Richtung schaute, dann zückte ich blitzschnell erst meine Pistole und dann die, die ich dem anderen Agenten abgenommen hatte.
Sie schnappte laut nach Luft und hob reflexartig den Arm schützend über den Kopf.
»Siehst du? Du hast immer noch nicht abgedrückt«, sagte ich, dann entlud ich beide Pistolen, indem ich die Magazine herausdrückte und auf den gekachelten Fußboden fallen ließ. Danach legte ich die Waffen auf den Boden und schubste sie so kräftig in ihre Richtung, dass sie gegen Hollys Sportschuhe stießen. »Holly –«
»Agent Flynn«, fuhr sie mich an und zielte weiter auf mich.
»Gut, dann Agent Flynn. Jetzt, wo ich unbewaffnet bin, werde ich mich hinsetzen, bis jemand kommt und nach uns sieht.«
Sie kam durch den Raum auf mich zu, bis uns nur noch wenige Schritte trennten. »Zieh dich aus.«
Wieder fühlte ich mich von der Situation angeturnt. Doch ich zwang mich, diesen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Schließlich wusste ich, dass das ein abgekartetes Spiel sein konnte und sie es vielleicht genau darauf abgesehen hatten. Holly hatte auf Healys Ball ja bereits bewiesen, dass sie es spielend schaffte, mich abzulenken.
»Die Hose auch«, befahl sie, aber diesmal schwankte ihre Stimme leicht.
»Ist das dein Ernst?«
»Allerdings.« Sie warf meine Schuhe in eine Ecke.
Laut seufzend löste ich meinen Gürtel und zog die Hose aus, so dass ich nur noch in Polohemd und Boxershorts dastand. »Und das ist jetzt die Stelle, an der die Tür aufgeht, oder?«
Ich sah, wie sie die Augen verdrehte. »Dein Hemd, gib mir das auch rüber.«
»Das erinnert mich jetzt echt total an die Mittelstufe.« Ich zog mein Polohemd über den Kopf und warf es ihr zu.
Nachdem sie es hin und her geschwenkt hatte wie eine Fahne, nahm sie meine Hose und drehte sie auf links. Dabei fielen mein Portemonnaie, meine Schlüssel und mein Telefon zu Boden. Dann zog sie den Gürtel aus den Schlaufen und warf mir Hose und Hemd wieder zu. »Die kannst du jetzt wieder anziehen.«
»Besten Dank, Agent Flynn.« Nachdem ich mich wieder angekleidet hatte, setzte ich mich in meine Ecke.
Schließlich ließ sie sich in der diagonal gegenüberliegenden Ecke nieder und entspannte sich ein bisschen. Die Pistole hielt sie zusammen mit ihrem Handy im Schoß.
»Du siehst müde aus«, sagte ich. Meine Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt, und ich konnte sie besser sehen.
»Schlafentzugstraining«, gestand sie mit einem lauten Seufzer.
»Und was genau ist das?« Ich wischte mir mit dem Saum meines Shirts den Schweiß von der Stirn.
»Genau reglementierter und überwachter Schlaf, der über einen Zeitraum von sechs Wochen immer weiter verringert wird. Momentan darf ich maximal drei Stunden täglich schlafen. Zusätzlich werden mein Denkvermögen und meine Zurechnungsfähigkeit getestet, um zu sehen, wie ich mit wenig Schlaf zurechtkomme.« Sie blickte sehnsüchtig auf die Tür. »Gott, ich verstehe nicht, warum die mich hier mit dir einschließen. Das war ganz sicher nicht der Plan. Hier sollte noch eine andere Tür sein, ein Ausgang.«
Es machte mich sauer, dass sie denen vertraute, mir jedoch nicht, auch wenn ich verstand, warum es so war. »Glaubst du wirklich, Agent Collins kümmert es, was mit dir passiert? Du bist ja noch nicht mal fertig ausgebildet. Sie können alle Beweismittel
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