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Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Feinde der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
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Worte formten. »Sie ist ja kein Roboter. Ein Mensch ist ein Mensch, oder?«
    Ich wusste, dass Kendrick diese Frage nicht beantworten konnte. Aber ich hatte sie trotzdem stellen müssen. Sie stand schließlich auf und ging zur Tür. »Wir sollten heute Nacht hierbleiben. Es wird ihr nicht guttun, wenn sie woanders aufwacht.«
    »Einverstanden«, sagte ich und riss meine Augen von Emily los, um Kendrick anzuschauen, die im Türrahmen lehnte. »Und was ist mit Michael?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hab ihm gesagt … Ich hab ihm gesagt, dass wir heute Nacht abreisen. Nach Frankreich.«
    »Aber –«
    »Ich hab mich schon von ihm verabschiedet, Jackson«, sagte sie entschieden und rang um ihre Fassung. »Ich kann einfach nicht … Er ist alles für mich. Ich hab meine Eltern verloren und Carson, und ich werde auch ihn verlieren, wenn ich nicht aufpasse. Es wird so kommen, hab ich recht?«
    Mir fiel wieder ein, wie sehr ich Agent Collins’ Ehrlichkeit geschätzt hatte, als er mir gesagt hatte, Holly schwebe in großer Gefahr. Nun schuldete ich Kendrick dasselbe.
    »Ja, die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß.«
    Sie holte tief Luft und nickte langsam. Ich ertrug es kaum, sie anzusehen. Genauso war es mir ergangen. Ihr Herz brach gerade in eine Million Stücke, und niemand würde sie jemals wieder zusammensetzen können. Sie war nun eine Versehrte. Genau wie ich.
    Ohne weiter nachzudenken, ging ich zu ihr hin und legte meine Arme um sie. Einen Moment lang wehrte sie sich, doch dann brach ihr Widerstand, und sie weinte sich an meiner Schulter aus.
    »Ich werde nicht zurückkommen«, sagte sie. »Ich darf nicht zu ihm zurückgehen. Das ist einfach zu riskant.«
    Ich drückte sie noch fester und sagte die einzigen tröstlichen Worte, die ich ihr anbieten konnte: »Wir werden dir helfen. Stewart und ich. Wir werden uns eine Tarnung ausdenken, seinen Namen aus der Datenbank löschen und dafür sorgen, dass er vom Radar verschwindet. Dafür reise ich sogar durch die Zeit, wenn es sein muss.«
    Sie lachte durch ihre Tränen und drückte meinen Arm, bevor sie mich losließ. »Danke.«
    »Wir sitzen in einem Boot, nicht wahr?«, scherzte ich. »Jetzt, wo wir beide so gut wie gegen jede CIA-Vorschrift verstoßen haben.«
    Sie schenkte mir ein schwaches Lächeln. »Ich muss duschen. Behältst du solange die Kleine im Auge?«
    »Kein Problem.«
    Ich hatte das Gefühl, dass nicht mal Kendrick sicher war, ob Emily auf unserer Seite stand. Trotzdem konnte sie ebenso wenig wie ich ignorieren, dass wir es hier mit einem Kind zu tun hatten. Egal, ob gut oder böse, Emily war immer noch ein kleines Kind.

24
    21. Juni 2009, 6:05 Uhr
    In der Nacht kämpfte ich gegen den Schlaf an. Gegen fünf Uhr morgens musste ich kurz eingenickt sein, denn ich erwachte von dem Geräusch hektisch umgeblätterter Seiten. Erst dachte ich, Kendrick würde sich wieder Notizen machen, doch dann sah ich, dass sie quer über dem Fußende lag und schlummerte. Stewart war auf dem Boden eingeschlafen. Ihr Laptop stand noch eingeschaltet vor ihr.
    Dann fiel mein Blick auf Emily, die auf ihrem Bett saß und Kendricks Notizbuch las. Langsam ging ich zu ihr und zog ihr das Büchlein vom Schoß. Sie zuckte zusammen und sah mich mit großen Augen an, dann wich sie zurück, bis sie an das Kopfende stieß und nicht mehr weiterkonnte.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte ich und setzte mich. »Ich tu dir nichts. Niemand von uns wird dir weh tun.«
    Sie zeigte auf die Zahl auf dem Deckel von Kendricks Notizbuch. »Stimmt das?«
    »Du meinst die Jahreszahl? 2009?« Sie nickte. »Ja, die stimmt.«
    Das schien sie derart zu verblüffen, dass sie nicht mal mehr ängstlich aussah. Meine Augen wanderten zu der Infusionsnadel, die lose auf dem Bett lag. Als sie merkte, dass ich die Nadel gesehen hatte, legte sie sie in meine Hand.
    »Diese Lösung enthält Verunreinigungen. Ich kann sie riechen«, flüsterte sie.
    Zuerst erschien mir dieser Satz ein wenig merkwürdig, doch als ich darüber nachdachte und mir überlegte, was ich wohl denken würde, wenn ich zweihundert Jahre in die Vergangenheit reisen und mir jemand ein Glas Wasser reichen würde, verstand ich sie. Denn dann würde bestimmt auch ich Verunreinigungen riechen. Und Dinge bemerken, die den Menschen in diesem Jahr sicherlich ganz normal vorkämen.
    »Hast du Hunger? Ich kann dir was zu essen machen«, sagte ich in der Hoffnung, ihr Vertrauen zu wecken. Sie nickte zaghaft.

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