Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
erneut und untersuchte die kleinen Kaubonbons in ihrer Hand. »Die sehen aus wie Mikro-Mahl…« Sie unterbrach sich unvermittelt und schaute mich besorgt an. »Entschuldigung, über so was darf ich nicht reden.«
Stewart hielt eine kleine Tasche hoch und zog eine blonde Puppe heraus. »Die hab ich gestern Abend gefunden. Ihr wisst schon, unten. Da gibt es auch ein Kleid und noch ein anderes Outfit, die unserer kleinen Zeitreisenden passen könnten.«
Ich nahm Stewart die Puppe ab und betrachtete sie lange. »Die hat Courtney gehört. Sie heißt Lily.«
Kendrick betastete das Kleid der Puppe. »So eine hatte ich auch, als ich klein war. Aber ich hab ihr natürlich einen anderen Namen gegeben.«
Ich musste lachen, als ich einen kleinen schwarzen Fleck auf dem Plastikarm der Puppe erspähte. »Ich hab mal eine Ladung Lego-Dynamit an ihr festgeklebt und Courtney eine Lösegeldforderung geschickt.«
Kendrick nahm mir die Puppe aus der Hand und reichte sie an Emily weiter. »Könntest du Lily bitte vor Jackson beschützen?«
Dann nahm sie Emily mit ins Schlafzimmer, um ihr etwas anderes anzuziehen, und ließ Stewart und mich allein in der Küche zurück. »Ist das alles, was du unten gefunden hast?«
»Ja.« Sie sah mich lange an. »Ich glaube, Collins hatte recht. Du solltest aufpassen, Agent Flynn gegenüber nicht zu viel Entgegenkommen zu zeigen.«
Ich seufzte frustriert. »Ich dachte, wir wären uns einig, dass –«
»Würdest du mich ausreden lassen?«, fuhr sie mich an. Ich nickte und wartete. »Ich hab gestern noch mal nach Holly gesehen, wie ich es gesagt hatte. Aber als ich dir gestern die SMS geschrieben habe, dass alles in Ordnung ist, hab ich vielleicht das eine oder andere Detail unerwähnt gelassen.«
Mir drehte sich sofort der Magen um. »Was denn zum Beispiel?«
»Sagen wir so: Ich glaube, du solltest sie im Auge behalten, aber aus der Ferne. Misch dich bloß nicht ein, sonst bezahlt ihr beide mit dem Leben.«
Sie sah mich reumütig an, doch ich wusste nicht, ob sie bereute, mir das nicht eher gesagt zu haben, oder ob sie bereute, es jetzt doch getan zu haben. Aber egal, ich war froh, dass wir uns inzwischen offenbar so nahestanden, dass sie über ihren Schatten sprang und gegen ihre Überzeugung verstieß, wenn es wichtig für mich war. »Danke, du hast was gut bei mir.«
»Ja, das würde ich auch sagen.« Sie sah auf die Armbanduhr. »Ich hab wieder ihr Telefon angezapft. Blondie ist heute Nachmittag in der Bibliothek der NYU. Und du solltest ebenfalls hingehen. Egal, was mit diesem Klon-Kind ist.« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich weiß auch nicht, wieso, aber ich hab das Gefühl, dass das alles irgendwie zusammenhängt. Holly, Agent Collins und dieses alte Foto, die Sache mit Emily, dass dein Vater vermisst wird und auch Marshalls Verschwinden. Ich krieg’s noch nicht richtig zusammen, aber ich bin ganz kurz davor.«
»Wir kriegen das schon raus«, sagte ich und drückte ihre Schultern.
25
21. Juni 2009, 19 Uhr
Da ich den ganzen Tag Aufträge übernehmen und für Kendrick einspringen musste, damit sie bei Emily bleiben konnte, kam ich erst am Abend dazu, nach Holly zu sehen. Stewarts Hinweis folgend, suchte ich sie in der Bibliothek der NYU. Als ich den Bereich betrat, in dem sie den Berichten zufolge immer saß, erspähte ich sofort ihren Hinterkopf. Doch bevor ich näher herangehen konnte, hörte ich die Stimme von Agent Carter. Ich zog meine Baseballkappe tiefer ins Gesicht und versteckte mich hinter einem Regal.
Mein Handy vibrierte, und ich las schnell die SMS, die ich von Stewart bekommen hatte: Ist sie da?
Ja, aber Carter ist bei ihr.
Mist. Setz ihn außer Gefecht, wenn du kannst. Aber nur, wenn du ihn allein erwischst.
Noch bevor ich auf ihre SMS antworten konnte, kam bereits die nächste: Ich komme. Gib mir Bescheid, wenn Carter das Gebäude verlässt, dann kümmere ich mich um ihn.
»Du hast zwei Versuche, Flynn. Vermassel das heute Abend nicht«, sagte Carter.
Heute Abend? Was passierte denn dann? Wurde sie auf ihre nächste Mission geschickt?
»Dieses blöde Computerprogramm überwacht mich doch schon. Ich wüsste nicht, weshalb Sie auch noch hier sein müssen«, giftete Holly zurück.
Ich spähte über die Bücher in dem Regal vor mir. Hollys Laptop stand aufgeklappt vor ihr, und auf dem Tisch, an dem eigentlich sechs Personen Platz hatten, lagen überall Bücher und Zettel verstreut. Sie und Carter saßen dicht nebeneinander und beide mit dem Rücken
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