Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
darauf legte, jemals auch nur annähernd mit Jenni Stewart über Kendrick einer Meinung zu sein.
Wenn Dad hier gewesen wäre, hätte er mich angehalten, weiterzuarbeiten und mir eine neue Ablenkung zu suchen. Ich sah Stewart an, die immer noch ungläubig den Kopf schüttelte, und stand auf. »Lass uns an die Bar gehen und was trinken, bevor ihr zwei euch noch richtig in die Haare kriegt und wir alle verhaftet werden.«
Stewart stöhnte zwar auf, folgte mir jedoch. Wir setzten uns auf die Barhocker in der Mitte des Tresens, und der Barkeeper sah uns erwartungsvoll an. Als ich zwei Bier bestellte, fragte er sofort nach meinem Ausweis. Selbst Stewart war noch keine einundzwanzig, aber wir hatten mindestens ein Dutzend falscher Ausweise, auf denen wir zwischen sechzehn und sechsundzwanzig waren. Was einem speziellen CIA-Programm zufolge glaubwürdig wirkte, auch wenn es an den unteren und oberen Enden vielleicht ein bisschen Nachbesserung erforderte.
»Was hast du vor, Junior?«, fragte Stewart.
»Nichts. Ich wollte nur Kendrick vor dir retten. Sie ist nett. Du nicht. Darum fand ich das goldrichtig.« Ich nahm mein Glas, trank einen Schluck Bier und wartete darauf, dass sie sauer wurde.
»Nett zu sein bringt einen in diesem Job nicht weit«, sagte Stewart. »Das sollte ihr mal jemand sagen.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Sie ist nicht diejenige, die in Heidelberg gefesselt wurde und fast mit dem Leben bezahlt hätte.«
Wie ich vermutetet hatte, verzog Stewart wütend das Gesicht. »Ich kann doch nichts dafür, dass Thomas plötzlich erst vor mir und dann hinter mir aufgetaucht ist. Glaubst du, ich hab’s drauf angelegt, dass du mir da den Arsch retten musstest? Ich bin sicher, du hättest lieber Kendrick gerettet als mich.«
Ich kratzte an dem Etikett meiner Bierflasche herum und lachte, obwohl sie kurz davor war, mich zu treten.
»Was?«
Ich lachte weiter, ohne den Blick von der Flasche zu nehmen. »Ach, nichts. Mir fiel nur gerade wieder ein, dass ich froh war, dass du es warst. Kendrick hätte ich schlechter drei Treppen hochgetragen bekommen, einfach weil sie schwerer ist als du.«
Stewart lächelte gequält. »Wenigstens ein Vorteil, den man in diesem Job hat, wenn man klein ist.«
»Möchtest du noch was trinken?«, fragte ich mit einem Blick auf ihre fast leere Flasche.
»Nachdem wir den ganzen Tag nur faul rumgesessen haben, habe ich mir diese Kalorien eigentlich nicht verdient«, sagte sie seufzend.
Auf meinen Ellbogen gestützt, betrachtete ich ihre halbwegs annehmbare Miene. »Ich mach dir einen Vorschlag. Wir trinken jetzt noch ein Bier, und morgen früh machen wir einen Zehnkilometerlauf.«
»Vorausgesetzt, die Welt wird in der Zwischenzeit nicht angegriffen«, sagte Stewart. »Außerdem sollten es eher fünfzehn Kilometer sein, nicht bloß zehn.«
»Ja, natürlich«, erwiderte ich und winkte den Barkeeper heran.
Stewart starrte mich an, während wir auf unsere Drinks warteten. In ihrer Miene lag etwas Provozierendes, doch sie zögerte, bevor sie es sagte: »Du solltest dir auch mal mein Apartment angucken. Zum Beispiel heute Nacht.«
»Okay«, antwortete ich zu ihrer und meiner Überraschung.
Ich war nicht sicher, warum ich ja sagte. Vielleicht lag es an Senator Healys Aufforderung, mehr Zeit mit Stewart zu verbringen, vielleicht lag es aber auch daran, dass ich Holly mit Brian begegnet war. Auch Dad war der Meinung, dass ich in Bezug auf Holly die richtige Entscheidung getroffen hatte, und heute hatte sie … glücklich ausgesehen.
Ich musste sie wieder aus dem Kopf kriegen, und zwar schnell. Und ich musste mich davon abhalten, Adam anzurufen oder – schlimmer noch – zu besuchen.
»Ist das dein Ernst? Du willst allein Zeit mit Jenni Stewart verbringen? Und das auch noch freiwillig?«, fragte Kendrick. Sie hatte mich nach dem zweiten Bier in die Damentoilette abgedrängt, und nun musste ich ihr erklären, warum ich nicht mit ihr zusammen mit der U-Bahn nach Hause fahren wollte.
»Komm schon, Jackson. Da steckt doch irgendwas dahinter. Weih mich ein in deinen Plan«, bettelte Kendrick. »Sonst muss ich annehmen, dass du tatsächlich auf Stewart stehst. Und wenn das so ist, werde ich es dir ausreden.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich stehe nicht auf Stewart.«
»Warum sagst du mir dann nicht, was du im Schilde führst?«
Darauf konnte ich ihr keine Antwort geben. Also musste ich schnell das Thema wechseln. »Warum hast du den anderen eigentlich von Michael erzählt, nachdem du
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