Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
haben, dass Hollys Leben in Gefahr war? »Ich muss mich mal setzen.«
Ich ging zurück zu unserem Tisch, dicht gefolgt von Kendrick. »Willst du denn nicht mit ihr reden?«
»Nein, danke.« Ich sank auf meinen Stuhl. Ich hatte so weiche Knie, dass ich nicht länger stehen konnte. Vor lauter Erleichterung über Kendricks Verkuppelungsplan kam ich gar nicht dazu, bestürzt über dieses erneute Zusammentreffen mit Holly zu sein. Oder darüber, dass sie mit einem anderen hier war.
»Komm schon, Jackson«, jammerte Kendrick. »Ich versuche, dich mit jemand zusammenzubringen, damit du dir deine Besuche bei Stewart sparen kannst.«
»Ich habe einmal bei ihr übernachtet«, erinnerte ich sie. Und dabei sind wir nicht mal über das Vorgeplänkel hinausgekommen. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich Kendricks falschen Eindruck von dieser Nacht nicht korrigiert. Vielleicht weil es im Endeffekt auch egal war. Ich fühlte mich nicht heldenhaft oder toll, weil ich die Finger von Stewart gelassen hatte, ich fühlte mich einfach allein. So oder so. Denn selbst wenn ich mit Stewart geschlafen hätte, hätte ich damit nicht mal jemandem weh tun können; das war das schlimmste Gefühl von allen.
Und das war der Grund, warum es so ätzend war, jemanden zu lieben.
Kendrick setzte sich neben mich und lächelte. »Für den Fall, dass es dich interessiert: Sie heißt Holly, und sie hat keine Vorstrafen. Noch nicht mal wegen zu schnellen Fahrens ist sie erwischt worden.«
»Sie hat bereits einen Freund«, sagte ich in dem Versuch, Kendricks Verkuppelungsehrgeiz zu bremsen, der absolut nirgendwo hinführen würde.
Sie grinste verschlagen und stand auf. »In Ordnung, bleib du ruhig allein hier sitzen und blase Trübsal, während ich mich unter die Leute mische und den einen oder anderen Tanzpartner an Land ziehe.«
»Viel Spaß.« Ich stützte den Kopf in die Hände und war dankbar, dass in diesem Moment das Licht gedimmt wurde und Musik zu spielen begann. Alle Strahler waren auf die Tanzfläche gerichtet, so dass ich nun im Schatten saß. Und genau da wollte ich sein.
Doch ich hatte nur kurz meine Ruhe und meinen Frieden, dann tauchten zwei Gestalten rechts und links von mir auf. »Stewart, Mason, na, wie geht’s?«
Ich musste zweimal hinsehen: Mason trug die Kluft eines Parkplatzwächters, während Stewart in eine Kellnerinnen-Tracht gekleidet war und ein Tablett mit Häppchen in der Hand hielt. Sie drückte mir einen Ohrhörer in das Ohr, in dem noch keiner steckte.
»Wir haben Dr. Melvin verwanzt«, flüsterte sie. »Ich hab versucht, mit ihm über mein Problem von neulich zu sprechen, und er hat sehr merkwürdig reagiert. Ich glaube, er weiß was.«
Ich nickte und machte mich daran, den Saal mit den Augen nach dem alten Arzt abzusuchen. Er konnte noch nicht lange hier sein, sonst wäre er mir aufgefallen.
»Wir sind dann wieder draußen, bei den Müllcontainern«, flüsterte Mason. »Wir sollen uns nicht im Ballsaal aufhalten. Aber Freeman lässt uns später nach Sprengstoff suchen.«
Sie verschwanden beide in der Menge, und ich war wieder allein. Bald war ich so sehr darin vertieft, den Raum mit Blicken abzusuchen und mir Details einzuprägen, dass ich gar nicht mitbekam, wie die eigentliche Spendensammlung begann. Erst als der Ansager die Tischnummern für den Fünfzigtausend-Dollar-Tanz aufrief, merkte ich auf.
Wenn ich nach normalen Dingen Ausschau gehalten hätte statt nach potentiellen Eyewall-Agenten und tödlichen Bedrohungen für die internationalen Spitzenbeamten, hätte ich Kendricks plumpen Versuch, mich ausgerechnet mit dem Menschen zusammenzubringen, den ich heute Abend mehr als jeden anderen meiden musste, vielleicht vorausgeahnt.
Ich blinzelte ins Licht, als der Spot auf meinen Tisch fiel und dann ein zweiter Hollys Tisch anleuchtete. Kendrick tauchte hinter mir auf; ihr Lachen klang fast boshaft. »Na, da kannst du dich jetzt wohl nicht so leicht wieder rauswinden, was, Jackson?«
Ich verbarg stöhnend mein Gesicht. Die beiden alten Damen an unserem Tisch quietschten vor Vergnügen und klatschten, als sie begriffen, dass mein Name gezogen worden war. Ich schaute in Brians und Hollys Richtung, als ihr Name aufgerufen wurde. Ihre Augen weiteten sich, und mir war sofort klar, dass sie diese Art von Aufmerksamkeit normalerweise gar nicht schätzte.
»Unsere beiden Gewinner kommen jetzt bitte nach vorn und tanzen zusammen. Ein kleiner Tango, und fünfzigtausend Dollar gehen im Namen der Discounter-Kette
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