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Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Feinde der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
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gebrauchen.«
    Ich betrachtete nachdenklich das Fläschchen. Gleich in der Sekunde, als ich Holly erspäht hatte, hätte ich mit dem Trinken anfangen sollen. Heute Abend erwarteten doch alle von mir, dass ich den Partygast spielte. Konnte ich da was dafür, dass zu dieser Rolle auch der Genuss von Alkohol gehörte? Schließlich hatte ich als Gast nichts Wichtigeres zu tun, als mit meinen versteckten Kameras und Aufnahmegeräten Walzer zu tanzen, damit jemand anderes die Aufnahmen später auswerten konnte. »Super, danke dir!«
    »Gern. Du hattest noch was gut bei mir.«
    Die Tür zum Ballsaal ging auf, und Musik schwappte in die Lobby. Mason war innerhalb von Sekunden verschwunden, und ich trank in zwei großen Schlucken den Whiskey aus. Senator Healy kam durch die Tür; sein Blick wanderte durch die Lobby, bis er mich gefunden hatte. Schweigend zeigte er in den Ballsaal. Als ich an ihm vorbeiging, sagte er leise: »Was ist los mit dir? Wir haben einen Raum voller potentieller Eyewall-Agenten und internationaler Terroristen, und du vertreibst dir hier draußen die Zeit.«
    Ich ballte die Fäuste, zwang mich jedoch, sie wieder zu öffnen, und drückte ihm die leere Flasche in die Hand. »Würden Sie die für mich wegschmeißen?«
    Kendrick saß allein an der Bar am anderen Ende des Saals. Ich nahm neben ihr Platz und bestellte noch einen Drink. »Okay, sag mir die Wahrheit. Ich hab mich aufgeführt wie ein Idiot, oder?«
    Sie legte ihre Finger um das Weinglas, das vor ihr stand, und hielt ihren Blick auf den Tresen gerichtet. »Du weißt doch sicher, dass alle gerne Witze darüber machen, du wärst der Durchschnittstyp, der in einen Geheimagenten verwandelt wurde?«
    »Ja«, sagte ich. Dann trank ich hastig meinen Drink und genoss das Brennen in meiner Kehle, als der Alkohol hindurchrann.
    »Ich gehöre zu den wenigen, die dich nicht kannten, bevor du zu dem hier geworden bist.« Sie zeigte auf mich, als stände mir das Wort Geheimagent quer über der Stirn. »Aber ich habe eine Vermutung, was dich betrifft.«
    »Und zwar?«
    Jetzt schaute sie mich direkt an. »Es gibt nur eins, was jemanden dazu bringen kann, so ein Leben aufzugeben, wie du es geführt hast, und stattdessen das hier zu tun.«
    »Ein Börsencrash?«
    Sie ließ den Blick sinken. »Nein, das Bedürfnis, sich zu rächen.«
    Da fiel mir der düstere Ausdruck wieder ein, der über ihr Gesicht gehuscht war, als sie mir erzählt hatte, ihre Familie habe in Chicago gelebt. Und auch neulich, als sie erzählt hatte, ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder seien tot. »So war’s bei dir, hab ich recht?«
    Sie nickte. »Aber das funktioniert nicht. Jedenfalls nicht lange. Nach einer Weile verwandelt sich all die Traurigkeit in Wut, und dann spürst du irgendwann nicht mehr sehr viel.«
    Es kam mir vor, als hätte sie all die Sorgen und Ängste genommen, die ich mit mir herumtrug, um damit vor meiner Nase herumzuwedeln. Ich wollte das nicht hören. Nicht jetzt. Ich stürzte meinen Drink runter und machte Anstalten aufzustehen. »Ich sehe mich mal ein bisschen um.«
    Kendrick schüttelte den Kopf und gab dem Barkeeper ein Zeichen, mir noch einen Drink zu bringen. »Ich hör schon auf, du brauchst dich nicht weiter vor Verlegenheit zu winden. Ich möchte nur, dass du Folgendes weißt: Michael war derjenige, der mich zurück ins Leben geholt hat. Ich hab mich damals auch gegen die Gefühle gewehrt, wollte ihnen nicht nachgeben. Aber so bin ich eine bessere Agentin. Er kann nicht falsch für mich sein. Nicht, wenn diese Beziehung mir hilft, besser darin zu sein, andere Menschen zu retten und all den verrückten Kram zu tun, den wir machen.«
    Ich entspannte mich und trank schweigend weiter, dann fing sie plötzlich an zu lachen. »Was ist denn so lustig?«
    »Ich hab mich gerade angehört wie Oprah Winfrey, oder?«
    Ich lächelte zaghaft. »Eher wie Dr. Phil. Nur dass du viel hübscher bist.«
    Sie breitete die Arme aus. »Wie süß von dir. Komm, lass dich umarmen.«
    Ich schaute mich in gespielter Verlegenheit um. »Doch nicht in der Öffentlichkeit. Ich hab schließlich einen Ruf zu verlieren.«
    Sie beugte sich mit einem verschlagenen Grinsen zu mir hin und küsste mich auf die Wange. Ich spürte den Lippenstift, der auf meiner Haut haften blieb. »Jetzt trägst du auch ein bisschen Rosa, wie es eigentlich sein sollte.«
    Ich drehte mich mit dem Hocker so, dass ich meinen Blick durch den Saal schweifen lassen konnte. »Meinst du, ein bisschen Lippenstift hilft mir

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