Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
den heutigen Abend bezog.«
Er stieß einen verärgerten Seufzer aus und sagte dann: »Dann müssen wir auf Plan B zurückgreifen.«
Plan B?
Als wir an der Tafel ankamen, beugte der Senator sich zu mir hin: »Hab keine Hemmungen, ein wenig mit deinen Kenntnissen anzugeben. Begrüße sie in ihrer Muttersprache.«
Ich hatte keine Ahnung, warum er das vorschlug, wenn ich doch als der aus New York stammende Sohn eines Firmen-Vorstands vorgestellt wurde und nicht als CIA-Agent, der schneller Fremdsprachen lernen konnte als die meisten Genies. Kendrick und ich schritten den Tisch ab und taten, wie der Senator uns geheißen hatte. Sehr zur Verblüffung der Dolmetscher. Als ich bei dem Russen am Ende des Tisches ankam, schüttelte ich nur noch seine Hand und sagte auf Russisch guten Tag. Seine Antwort ging völlig an mir vorbei, da ich plötzlich ein anderes Mädchen in einem rosa Kleid erblickte, das den Ballsaal durchquerte.
»O Gott, das darf nicht wahr sein«, murmelte ich.
Kendrick verabschiedete sich rasch von dem Russen und führte mich von dem Tisch weg. »Was darf nicht wahr sein?«
Ich war zu keiner Antwort imstande. Stattdessen starrte ich unverwandt Holly an, die auf der anderen Seite des Raums neben diesem Brian stand. Nie war ich enttäuschter gewesen, sie zu sehen, als in diesem Moment. Und das hatte nichts mit Brian, dem Supersportler, zu tun. Es konnte einfach kein Zufall sein, dass sie zur gleichen Zeit hier war wie ich. Das musste ein Anschlag sein. War das vielleicht Thomas’ Werk? Sicher hatte er das mit uns herausgefunden.
»Heute Abend wird was Schlimmes passieren«, murmelte ich Kendrick zu. »Glaub mir.«
Ich spürte, wie sie mein Gesicht studierte und meinem Blick folgte. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Oh, du hast meine Überraschung entdeckt.«
»Wie bitte?«
Sie knuffte mich in die Schulter. »Hör auf, sie so anzustarren! Ich hab neulich genau gemerkt, wie du sie angesehen hast. Was glaubst du, warum ich ihrem Freund angeboten habe, ihm einen Termin bei diesem Orthopäden zu besorgen?«
»Was?«, entfuhr es mir. Im Stillen war ich schon dabei gewesen mir auszumalen, von welchen Gebäuden Thomas Holly hier in New York stoßen konnte, und jetzt erzählte Kendrick mir, dass es sich um eine Art inszeniertes Date handelte, zusammen mit Hollys neuem Freund? »Warum sind sie hier?«
Sie zeigte auf einen Glatzkopf, der neben Brian stand. »Das ist der Arzt, der diesen jungen Mann gesund machen wird, damit er wieder zurück nach Kalifornien fliegen und jede Menge Touchdowns erzielen kann. Ich hab letztes Jahr einige Schichten mit ihm gefahren. Er ist wirklich sehr gut. Außerdem wimmelt es hier von Ärzten, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Dies ist ein Wohltätigkeitsball, auf dem Spenden für die Krebsforschung gesammelt werden.«
»Und das bedeutet automatisch, dass alle Mediziner der Gegend anwesend sind?«, fragte ich, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, dass ich so unfreundlich reagierte. »Wir sind doch erst zu diesem Ball eingeladen worden, nachdem wir Mr Football-Gott getroffen hatten.«
»Ich hab doch nur versucht, einen Kontakt herzustellen und dafür zu sorgen, dass er bald wieder aus der Stadt verschwindet.« Sie grinste mich verlegen an. »Ich hab den E-Mail-Account von Senator Healy gehackt und mir eine Kopie seiner Gästeliste besorgt. Und als ich meinen Lieblings-Orthopäden darauf gefunden habe, habe ich ihn angemailt und vorgeschlagen, dass er seinen neuesten Patienten einlädt. Wohl wissend, dass er die Blonde mitbringen würde, die es dir ganz offensichtlich angetan hat.«
Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Ist das echt wahr? Schwörst du, dass du dir das nicht ausgedacht hast?«
Sie grinste selbstgefällig. »Hast du eine Ahnung, wie schwer es war, das alles einzufädeln? Das war die einzige Möglichkeit. Schließlich kannst du ihr nicht dauernd ›zufällig‹ irgendwo auflauern. An ihrer Stelle wäre mir das zumindest unheimlich. Aber hier können Medizinstudenten ja ohne weiteres unter den Gästen sein. Und sie steht gar nicht auf der Gästeliste. Er steht drauf.«
»Heißt das, dass ich jetzt Medizin studiere?«
Kendrick zuckte mit den Schultern. »Sag einfach, dass wir einen Kurs zusammen hatten. Organische Chemie. Sie hat uns doch im Uni-Buchladen gesehen, also –«
Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare und war nicht im mindesten überrascht, dass meine Hände zitterten. Wann würde ich je aufhören, Angst davor zu
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