Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Morgen schon wieder
gefahren, bevor ich auf war.«
    »Was wollte er?«
    »Nur mal ein bißchen seelisch
auftanken, schätze ich. Wir haben zusammen herumgesessen, uns die Hucke
vollgekifft und über die alten Zeiten geredet. Über Anna und Josh. Noah.
Darüber, wie wir damals waren.« Butler lachte. »Du liebe Güte, das klingt ja
wie ein schnulziger Song.«
    »Wie hat er auf Sie gewirkt?«
    »Sehr angespannt am Anfang. Wenn ich
Suits nicht kennen würde, hätte ich gedacht, er ist auf irgendwas. Nachdem wir
dann ein paar durchgezogen hatten, war er schon ein bißchen lockerer, und als
ich ihn schließlich ins Bett geschickt habe, war gar nichts mehr davon zu
merken. Ich meine, ich kann’s ihm nicht verdenken; er glaubt, es war seine
Schuld, daß Anna umgekommen ist, und irgendwie stimmt das ja auch. Wenn man
sich genügend Feinde macht, passieren solche beschissenen Sachen.«
    »Hat er etwas darüber gesagt, ob er
weiß, wer die Sprengladung gelegt hat?«
    »Nein.«
    »Oder hat er von Rache gesprochen?«
    »Na ja, klar. Aber ich dachte, das sei
nur bekifftes Gerede. Ich habe ihm klarzumachen versucht, daß Rache ihm Anna
auch nicht zurückbringt und daß er lockerlassen muß.«
    »Ist es zu ihm durchgedrungen?«
    »Schwer zu sagen. Aber am Morgen muß es
ihm irgendwie besser gegangen sein, weil er mir einen Brief hinterlassen hat,
in dem er sich dafür bedankt, daß ich ihm geholfen habe, die Fäden
zusammenzukriegen.«
    »Welche Fäden?«
    »Keine Ahnung.« Butler zögerte.
»Glauben Sie, es wird etwas werden mit Ihnen und Suits, jetzt, wo Anna nicht
mehr da ist?«
    »Was?«
    Butler schien verdutzt über meinen
scharfen Ton. »Na ja, vor Anna waren Sie doch seine große Liebe, und ich dachte
nur —«
    »Ich war nie seine große Liebe«,
erklärte ich ihm. »Selbst Suits glaubt das nicht mehr.«
     
    Als ich ins Miranda kam, war der
Mittagessensbetrieb schon abgeflaut. Ich setzte mich an den Tresen und
bestellte einen Burger und Kaffee bei einer Serviererin. Carmen sah mich,
während er Rindfleischfladen auf den Grill packte. »Hey«, sagte er, »wo haben
Sie denn gesteckt?«
    »Da und dort. Haben Sie einen Moment
Zeit für mich?«
    »Muß eben noch die paar Bestellungen
fertig machen. Warten Sie ein Momentchen, der Kaffee geht aufs Haus.«
    Ich nahm die zweifelhafte Gabe dankend
an, aß meinen Burger und liebäugelte gerade mit einem Stück
Schokoladencremetorte, als Carmen mich in eine Sitznische winkte, wo er gerade
abgeräumt und gewischt hatte — was mich vor einem schweren Diätfehler bewahrte.
Als ich mich setzte, fragte er: »Haben Sie T. J. gesehen?«
    »Nein. Sie?«
    »Zuletzt am Freitag nachmittag. Da kam
er so um halb fünf, um seine üblichen Miniburger zu essen.«
    »Hat er gesagt, wo er war und was er
gemacht hat?«
    »Nein. Er war überhaupt beängstigend
still — für seine Verhältnisse.« Carmens Gesicht wurde ernst. »Ist ja auch
normal, wenn man bedenkt, was mit seiner Frau passiert ist. Ich wollte ihm mein
Beileid aussprechen, aber er hat es einfach beiseite gewischt und gesagt, er
will nicht über sie reden.«
    »Und worüber haben Sie beide dann
geredet?«
    Carmen sah weg. »Ach«, sagte er in
übertrieben beiläufigem Ton, »übers Wetter. Er hat mich gefragt, ob ich denke,
daß es bald anfängt zu regnen.«
    »Und weiter?«
    »Ich habe ihm gesagt, daß das
heutzutage keiner mehr vorhersehen kann, so verrückt, wie das Wetter —«
    »Nein, ich meine, worüber haben Sie
sonst noch geredet?«
    »Na ja, er hat gefragt, ob sein Pilot
mal hier war. War er aber nicht.«
    »Und?«
    Carmen studierte das Fenster an der
Schmalseite der Nische, zog eine Papierserviette aus dem Spender und wischte
sorgfältig einen Ketchupspritzer von der einen Ecke der Scheibe.
    »Hey«, sagte ich. »Ich bin auf T. J.s
Seite — wissen Sie noch?«
    »Ja, ich weiß.« Er zögerte. »Okay.
Eigentlich war er gekommen, weil er wissen wollte, wo er am besten eine Pistole
kaufen kann, ohne Wartefrist.«
    Gar nicht gut. »Was haben Sie ihm
gesagt?«
    »Ich habe ihn an Howie Tso verwiesen.«
    »Du lieber Gott, Carmen!« Howie Tso war
der King des illegalen Waffenhandels in Nordkalifornien; Staats- und
Bundespolizei versuchten seit Jahren, etwas gegen ihn in die Hand zu bekommen,
aber bislang waren Tso und seine Legion von Handlangern einfach zu clever
gewesen.
    »Ach, Howie ist in Ordnung«, sagte
Carmen. »Wenigstens haut er seine Kunden nicht übers Ohr.«
    »Woher kennen Sie ihn?«
    »Wir kannten uns schon, als er noch

Weitere Kostenlose Bücher